Donald Trump hatte für heute Nacht deutscher Zeit die Weltpresse in den Rosengarten des Weißen Hauses eingeladen, um seine außenpolitische Doktrin zu erläutern. Seine Überschrift:
 It’s Liberation Day in America. “ Zu besichtigen war ein überzeugter Isolationist, der nicht nur sein Land an die erste Stelle setzt (das haben andere Präsidenten vor ihm auch getan), sondern der andere Länder bewusst zurückstößt. Über Europa sagte er:
 Sie zocken uns regelrecht ab. Es ist so traurig, das zu sehen. Es ist erbärmlich. “ Über China:
 Sie führen ein sehr starkes Land. Aber sie sind nicht die Ersten in der Schlange. “
 Donald Trump während einer Veranstaltung im Rosengarten des Weißen Hauses, Washington, D.C., 02.04.2025 © imago Trump kündigte an, die bisherige Freihandelspolitik zu beenden und alle Länder und Regionen mit Importzöllen zu belegen. Er will das nicht als Akt der Aggression, sondern der ökonomischen Notwehr verstanden wissen:
 Chronische Handelsdefizite sind nicht mehr nur ein wirtschaftliches Problem. Sie sind ein nationaler Notstand, der unsere Sicherheit und unsere Lebensweise bedroht. Es ist eine sehr große Bedrohung für unser Land. “
 Donald Trump während einer Veranstaltung zur Ankündigung neuer Zölle im Rosengarten des Weißen Hauses am 02.04.2025 © dpa Mit einer vom US-Handelsminister überreichten Tabelle der Zollsätze aller wichtigen Länder und Regionen versuchte Trump zu belegen, dass die USA von ihren Handelspartnern übervorteilt würden. Diese Handelsbenachteiligungen seien der Grund für das Doppeldefizit – das im Haushalt und das in der Handelsbilanz:
 Wir kümmern uns um Länder auf der ganzen Welt. Wir zahlen für ihr Militär. Wir bezahlen alles, was sie bezahlen müssen. Wenn man ein wenig kürzen will, werden sie wütend. Aber wir müssen uns um unsere Leute kümmern. “ Sagte er und holte zur Manifestation seiner Überzeugung Brian Pannebecker auf die Bühne – ein Automobilarbeiter aus Detroit und ein überzeugter Trumpianer. Er sagte:
 Es wird neue Investitionen geben, es werden neue Fabriken gebaut, und die United-Auto-Worker-Mitglieder – ich habe 20 von ihnen mitgebracht, sie sitzen genau hier drüben – unterstützen Donald Trumps Politik der Zölle zu 100 Prozent. “ Trumps reziproke Zölle Zölle auf Importe in die USA für ausgewählte Länder, in Prozent
Infografik teilen Trump komplementiert mit der heutigen Nacht seine außenpolitische Agenda um eine handelspolitische Komponente, auf dass sich das Bild zu einer Trump-Doktrin rundet. Erkennbar hat der 47. Präsident im Geschichtsbuch der außenpolitischen US-Doktrinen geblättert – und derart inspiriert sein eigenes Design erstellt. Die Monroe-Doktrin („Amerika den Amerikanern“) findet in seiner Haltung gegenüber Süd- und Lateinamerika ihre Entsprechung. Wie der damalige Präsident James Monroe definiert Donald Trump knapp 200 Jahre später alle Staaten südlich der amerikanisch-mexikanischen Grenze als seine Einflusssphäre, in der auch die Chinesen nichts zu suchen haben. So zwang er die Regierung in Panama, ihre Beteiligung an dem chinesischen Seidenstraßen-Projekt zu beenden. Die Nixon-Doktrin: Auch hier hat er abgekupfert. So wie der damalige Präsident in seiner berühmten Rede von Guam 1969 den Rückzug Amerikas von allen internationalen Kampfplätzen begründete, so will auch Donald Trump kein Interventionist sein. Waffen liefern ja, mit US-Soldaten kämpfen nein. Das wollte Nixon (nach den hohen Verlusten in Vietnam) und das will auch Trump. Der heutige Präsident macht auch klar, welche Doktrin für ihn nicht mehr gilt. Die Truman-Doktrin des Containments („Es muss die Politik der Vereinigten Staaten sein, freie Völker zu unterstützen, die sich gegen Unterwerfungsversuche wehren.“) hat er ungültig gestempelt. Trump will die Russen in Europa nicht eindämmen, sondern mit ihnen Geschäfte machen, auch weil seine heimische Industriepolitik auf niedrige fossile Energiepreise angewiesen ist.
 Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses, Washington, D.C., 02.04.2025 © dpa Mit der Rede von heute Nacht hat sich Donald Trump maximal von Weltkriegspräsident Franklin D. Roosevelt entfernt, der aufgrund der Kriegserfahrung mit 60 Millionen Toten anschließend zum Internationalisten wurde:
 Die Struktur des Weltfriedens kann nicht das Werk eines einzigen Mannes, einer einzigen Partei oder einer einzigen Nation sein. “ In der Folge entstanden jene internationalen Institutionen wie WTO, UN und WHO, die das Leben der Nachkriegsordnung prägten. Trump fror die Zahlungen an die Welthandelsorganisation sowie verschiedene UN-Fonds inzwischen ein und die Weltgesundheitsorganisation hat er ganz verlassen. Aber: Erkennbar hat Trump das Geschichtsbuch nur selektiv gelesen und das Kapitel über Herbert Hoover (1929–1933) überschlagen. Mit dem Smoot-Hawley Tariff Act von 1930 erhöhte der 31. US-Präsident massiv die Zölle auf über 20.000 Produkte. Sein Ziel war der Schutz der US-Industrie während der Weltwirtschaftskrise:
 Die Republikanische Partei ist der Auffassung, dass der durch die Schutzpolitik aufgebaute Binnenmarkt dem amerikanischen Landwirt gehört. “ Die Folgen waren brutal – auch für Amerika. Es kam zu weltweiten Vergeltungszöllen und der Welthandel brach ein. Hoover beendete die Weltwirtschaftskrise nicht, sondern vertiefte sie. Die Republikaner verloren die Präsidentschaftswahl 1932 und es dauerte 20 Jahre, bis wieder ein Republikaner im Weißen Haus einzog. Fazit: Die Wirkung der Trump-Doktrin, die ihr Erfinder heute Nacht als segensreich pries, wird über Wohl und Wehe dieser Präsidentschaft entscheiden. Wenn seine Vorhersage („Comeback of the Golden Age“) eintritt, wird er als großer Präsident in die Geschichte eingehen. Wenn aber Inflation und Jobverluste zurückkehren, dürfte er in der Ahnengalerie der gescheiterten Präsidenten landen – weit weg von Roosevelt und in Sichtweite von Hoover.

 Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, 04.03.2025 © dpa | Wiktor Dabkowski Die EU reagiert: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat heute Morgen, kurz nach fünf Uhr deutscher Zeit, eine erste Gegenrede zu Donald Trumps Ankündigungen gehalten. Aus Usbekistan – wo sich gerade aufhält – erklärt sie:
 Die Weltwirtschaft wird massiv leiden, die Unsicherheiten werden zunehmen und der Protektionismus wird weiter angeheizt. “ Sie weist darauf hin, dass die Zölle den Verbraucherinnnen und Verbrauchern in der Welt schaden und Millionen von Menschen mit höheren Preisen für Lebensmittel, Medikamente und Transport konfrontiert sein werden, Sie betont aber auch:
 Ich bin bereit alle Bemühungen zu unterstützen, um das Welthandelssystem an die Realitäten der Weltwirtschaft anzupassen. “ und
 Lassen Sie uns von der Konfrontation zu Verhandlungen übergehen. Das ist der richtige Weg. “ Sie stellt aber klar, dass die EU bereits an der Fertigstellung eines ersten Pakets von Gegenmaßnahmen arbeitet und sich jetzt auf weitere vorbereitet, um die Interessen der Menschen und Unternehmen zu schützen, falls die Verhandlungen scheitern. Fazit: Europa wehrt sich noch gemäßigt. Konkrete Gegenzölle wurden noch nicht angekündigt. Von der Leyen setzt auf eine Politik des Dialogs und einen Alternativen Weg, der aber auch in Gegenmaßnahmen münden kann. |