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Chinas Europa-Strategie

Stresstest für den Westen

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Zuletzt aktualisiert am 20.04.2024 15:40 Uhr

Die USA werden unberechenbarer, weshalb China sich zunehmend Europa zuwendet. Präsident Xi besucht im Mai Paris, Budapest und Belgrad, Teil einer globalen Strategie, die sich erst auf den zweiten Blick erschließt und möglicherweise Frieden in der Ukraine fördert.
In Hintergrundgesprächen mit chinesischen Diplomaten und Spezialisten, die nicht genannt werden wollen, fügt sich das Bild einer Strategie zusammen, die China mächtiger machen soll. Dabei geht es um mehr wirtschaftlichen und politischen Einfluss, um Frieden in der Ukraine unter Chinas Vermittlung und den Versuch, Europa von den USA zu lösen. Und vor allem um eins: China als Weltmacht zu etablieren.
Der nächste Schachzug, oder besser: der nächste Stein im Go-Spiel, dem chinesischen Schach, ist bereits gesetzt. Er heißt Europa. Bei Go versuchen die Spieler, mit ihren Steinen mehr Gebiete auf dem Spielfeld zu erobern als der Gegner, indem sie die Gebiete der Gegner mit den eigenen Steinen umzingeln. Und genau daran arbeitet China.
Im Mai wird Staats- und Parteichef Xi Jinping Frankreich, Serbien und Ungarn besuchen. Es ist Xis erste Europareise seit fünf Jahren. Und die Länder sind sorgfältig ausgesucht: Frankreich stellt für China die Führungsmacht Europas dar, die sich am weitesten von den USA abgesetzt hat. Ungarn ist Chinas wichtigstes Investitionsland in der EU und Pekings engster politischer Partner. Und Serbien wiederum ist Chinas wichtigster Partner unter den Beitrittskandidaten.
Deutschland wird Xi nicht besuchen, da Bundeskanzler Olaf Scholz ihn vergangene Woche in Peking getroffen hat. Dabei wurde deutlich: Peking hat sich noch nicht entschieden, ob es seine Ziele mit dem Partner in Paris oder dem in Berlin durchsetzt und auf wen dann der Glanz der Weltpolitik fällt. Sowohl Macron als auch Scholz könnten angesichts ihrer innenpolitischen Probleme einen außenpolitischen Erfolg gut gebrauchen.
Klar ist nun allerdings: Ohne Peking gibt es keinen Frieden in Europa. Denn Peking ist die einzige große Macht, die sowohl von Moskau als auch explizit von Kiew als Vermittler anerkannt wird.
Xis Reise unterstreicht Chinas Pläne für Europa:
Peking will ein eigenständigeres Europa, mit dem die Chinesen wirtschaftlich und politisch enger kooperieren können, ohne dass es dabei jedes Mal nach Washington schielt.
Ein Europa der Kooperation und nicht der Konfrontation.
Ein Europa, das den Ukraine-Krieg beendet. Notfalls gegen den Willen der USA. In diesem Friedensprozess spielt Peking eine zentrale Rolle, auch um außenpolitisch vor allem gegenüber den USA an Gewicht zu gewinnen.
Doch wünschen kann man sich viel. Europa ist ein schwieriger Fall für Peking. Denn unser Kontinent ist hin und her gerissen. Manche Europäer haben die Sorge, von China unterwandert zu werden. Sie sind zwar auch beunruhigt hinsichtlich der Entwicklungen in den USA, vor allem aber – besonders in Deutschland – misstrauisch bis abweisend gegenüber der neuen aufsteigenden Weltmacht, dem intransparenten autoritären System.
Andererseits braucht Europa China als wirtschaftlichen Partner. Vor allem Deutschland. Allen Unkenrufen zum Trotz haben deutsche Firmen 2023 so viel wie noch nie in China investiert – nämlich 11,9 Milliarden Euro. China war auch 2023 mit einem Handelsvolumen von über 250 Milliarden Euro der wichtigster Handelspartner Deutschlands – zum achten Mal in Folge.
China: Deutschlands wichtiger Handelspartner
Entwicklung des deutschen Warenhandels (Importe und Exporte) mit China, in Milliarden Euro
In der China-Strategie der Bundesregierung wird das Reich der Mitte daher als „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale” bezeichnet.
Auch in China stellt man sich die Frage, wie eine Partnerschaft aussehen könnte. Insbesondere wird darüber nachgedacht, mit welchem führenden europäischen Politiker man am engsten zusammenarbeiten könnte.
Eigentlich wäre Brüssel die richtige Adresse. Doch dort ist die Position zu China am konfrontativsten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird als Architektin der Sanktionen gegen China, die noch immer gelten, wahrgenommen. Sie wird dem US-Lager zugeordnet. Für die chinesischen Interessen gleicht eine Zusammenarbeit mit ihr einer politischen Sackgasse. Zudem ist nicht sicher, ob sie nach der Europawahl im Juni die notwendigen Stimmen zusammenbekommt, um wieder gewählt zu werden.
Es bleiben also die beiden stärksten in Europa, die Einäugigen unter den Blinden, Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron.
Scholz gilt in Peking als Pragmatiker gegenüber China und wird als verlässlicher als Macron eingeschätzt. Er hat jedoch den Nachteil, dass sein Spielraum gleich mehrfach eingeschränkt ist: Er ist von Koalitionspartnern gefesselt, die einen konfrontativen Kurs gegen China wollen. In dieser Frage hat sich Scholz auf seiner China-Reise vergangene Woche freigespielt. Es ging nicht mehr darum, weniger mit China zusammenzuarbeiten, wie es die Koalitionspartner unter dem Stichwort „De-Risking“ fordern.
Nun konzentriert man sich erneut darauf, unter welchen Bedingungen man wirtschaftlich mehr Einfluss geltend machen kann – dabei allerdings mit größerer Vorsicht als zuvor. In diesem Zuge orientiert sich Scholz wieder verstärkt an den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands.
Auch deshalb steht Scholz innenpolitisch weiterhin unter großem Druck, was seine Aufmerksamkeit bindet. Insgesamt gilt Scholz in Peking als verlässlicher als Macron, aber auch als zögerlicher und manchmal auch tapsiger.
Hinzu kommt die historische Dimension: Da Deutschland unter der Führung der Amerikaner von den Alliierten im Zweiten Weltkrieg von Hitler befreit wurde, ist die Wertegemeinschaft zwischen Deutschland und den USA enger als zu jedem anderen Land in der Europäischen Union.
Macron dagegen hat aus der Sicht Pekings wiederum mehrere Vorteile: Für Xi ist es protokollarisch einfacher, mit dem Franzosen zusammenzuarbeiten, weil dann Präsident und Präsident miteinander sprechen, während Scholz protokollarisch eigentlich auf der Ebene eines Premierministers steht. Faktisch hat der deutsche Bundeskanzler mehr Macht in seinem Land als der chinesische Premier, aber eben nur faktisch.
Wichtiger noch: Frankreich hat unter den führenden europäischen Ländern traditionell den größten Abstand zu den USA. Dieser ist unter Macron noch gewachsen. Dessen Spielraum gegenüber Peking ist also größer als der von Scholz. Die konfrontative Stimmung gegen China ist in Frankreich bei Weitem nicht so groß wie in Deutschland. Und 60 Jahre französisch-chinesische Beziehungen in diesem Jahr geben einen unverfänglichen Rahmen ab.
Doch Macron hat eben auch einen sehr entscheidenden Nachteil. Seine Amtszeit geht in zwei Jahren zu Ende und er kann nicht wieder kandidieren. Manche in Peking sagen deshalb: Große politische Investitionen lohnen sich nicht mehr. Auch bei Scholz ist eine Wiederwahl ungewiss, aber nicht ausgeschlossen. Immerhin dürfte er antreten.
Um seine Weltmacht-Strategie umzusetzen, zielt Peking in zwei Richtungen: Friedensvermittler im Ukraine-Krieg und enge wirtschaftliche Kooperation, sowohl was die Investitionen in Europa als auch was die Öffnung des chinesischen Marktes betrifft.
#1 Der Ukraine-Krieg
China wird – ob es der EU gefällt oder nicht – in der internationalen Politik immer wichtiger: Ohne China gibt es auch keinen Frieden in der Ukraine. Denn keine der global führenden Nationen hat gleichzeitig so enge Kontakte zu Russland und zur Ukraine. Weil der russische Präsident Wladimir Putin die Dauer seines Angriffskrieges und den Widerstand des Westens unterschätzt hat, musste er sich, was seine internationalen Geschäfte betrifft, in eine große Abhängigkeit zu China begeben.
Und was China will, ist offensichtlich: Ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine, die weder ein Teil Russlands noch ein Teil der EU oder gar der Nato ist. Damit ist Peking für die Friedensgespräche, die von der Schweiz vorbereitet werden, gesetzt und bereits eingeladen. Aber Peking hält nichts von einem Format, bei dem nicht alle – also auch Russland – an einem Tisch sitzen. In der Schweiz ist das nicht vorgesehen. Daher ist es wahrscheinlich, dass sich ein alternatives Format entwickeln wird, in dem China und möglicherweise die BRICS-Staaten eine Schlüsselrolle übernehmen werden. Da Peking die Kontrolle behält, ist China derzeit die einzige Großmacht, die sowohl von Kiew als auch von Moskau als Vermittler anerkannt wird. Putin ist gezwungen, Pekings Linie zu folgen.
Nach dem Besuch von Scholz in Peking hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut betont, dass er Peking als Vermittler wünscht. Selenskyj dankte Scholz ausdrücklich für seine Bemühungen, Friedensverhandlungen unter der Schirmherrschaft Chinas voranzutreiben.
Der Hintergrund: Selenskyj läuft die Zeit davon. Es wird immer schwieriger für ihn, Waffenlieferungen durch den Kongress zu kriegen.
Weder Macron noch Scholz wollen jedoch am Ende wie begossene Pudel dastehen, die sich von den USA für deren Interessen haben missbrauchen lassen. Zudem stehen beide unter großem innenpolitischen Druck und könnten außenpolitische Erfolge als Friedenskanzler beziehungsweise als Friedenspräsident gut gebrauchen. Vor allem Scholz.
Das Dilemma Pekings lautet nun: Wer ist auf europäischer Seite besser geeignet, den Frieden in der Ukraine zu schaffen? Wem will man ein Gesicht geben? Am liebsten wäre es Peking, man könnte beide gewinnen und in dieser Frage eng zusammenarbeiten. Doch das Verhältnis zwischen Macron und Scholz ist nicht das Beste.
Beide möchten Friedensfürst sein.
Als europäisches Tandem fahren die beiden nicht. Noch nicht.
Scholz und Macron davon zu überzeugen, ist die größte Herausforderung für Chinas Außenpolitiker vor dem Xi-Besuch im Mai. Denn ihr Präsident hat kein Interesse an dem europäischen Klein-Klein.
Immerhin: Was den Ukraine-Krieg betrifft, ist Peking in einer guten Verhandlungsposition. Putin hat sich wegen der westlichen Sanktionen so sehr wirtschaftlich in die Hände der Chinesen geben müssen, dass er nun tut, was Peking will.
Aber auch für die Ukraine ist China als Vermittler akzeptabel, selbst wenn Peking sich scheut, Putin für den Krieg verantwortlich zu machen. China habe ein „sehr großes Potenzial“ zu helfen, den Krieg zu beenden, so der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba kürzlich. „Es besteht Vertrauen.“
Ein Satz jedenfalls, der den europäischen Staats- und Regierungschefs nicht so leicht über die Lippen kommt. Doch Peking braucht Europa für einen stabilen Frieden.
#2 Wirtschaftliche Kooperation
Europa wichtiger als die USA
Vergleich des Handelsvolumens von China mit USA und Europa, in Milliarden US-Dollar
Krane aus China (full).
Spionage wie im Film: In den vergangenen zwei Tagen wurden vier mutmaßliche chinesische Spione in Deutschland festgenommen. Die Politik ist alarmiert. Die Beziehungen – eine Woche nach dem dreitägigen Besuch von Kanzler Olaf Scholz in China – sind angespannt.Dabei manifestiert sich das schwierige Verhältnis zu China nicht nur in menschlichen Spionen, sondern schon länger in wirtschaftlicher und infrastruktureller Abhängigkeit.Ein wunder Punkt: In den größten Häfen Deutschlands sind zu mehr als zwei Dritteln die Containerkräne eines einzigen Herstellers im Einsatz. Und zwar die des chinesischen Staatsunternehmens Shanghai Zhenhua Heavy Industries (ZPMC). Das ergab eine Umfrage unserer Kollegin Claudia Scholz unter den Hafenbetreibern.Von rund 122 Kränen, die für die Verladung von Schiffscontainern in den Häfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven benötigt werden, sind 82 aus der Produktion von ZPMC, also 67 Prozent.ZPMC baut über 70 Prozent der weltweiten Containerkräne und liefert sie mit seiner eigenen Flotte von 26 Schiffen aus. 96 Prozent aller Container kommen aus China.
 Dominanz von ChinaAnzahl von Containerkränen des chinesischen Produzenten ZPMC in den größten deutschen Häfen 
Dominanz von China
Anzahl von Containerkränen des chinesischen Produzenten ZPMC in den größten deutschen Häfen
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Der FDP-Sprecher für maritime Wirtschaft, Christian Bartelt, sagt uns:
 Das Beispiel ZPMC ist nur ein weiterer Beleg dafür, wie abhängig der maritime Sektor in Deutschland, in Europa und der Welt mittlerweile von China ist. “
Christian Bartelt FDPChristian Bartelt © FDP
Die US-Regierung ist zunehmend besorgt über potenzielle Störungen und Spionage durch die riesigen ZPMC-Kräne, die an den amerikanischen Hafenterminals einen Anteil von 80 Prozent haben. Vor Kurzem seien bei einer vom US-Kongress beauftragten Untersuchung der ZPMC-Frachtkräne „verdächtige“ Mobilfunkmodems gefunden worden, über die ein Fernzugriff möglich sei.US-Präsident Joe Biden kündigte an, dass seine Regierung in den nächsten fünf Jahren mehr als 20 Milliarden US-Dollar investieren werde, um im Ausland gebaute Kräne durch in den USA hergestellte zu ersetzen.Der größte Betreiber am Hamburger Hafen, HHLA, versichert uns:
 Fakt ist, dass die Steuerungskomponenten und -software der Containerbrücken ausschließlich von europäischen und amerikanischen Komponentenherstellern geliefert werden. “
Die logistische Steuerung der Geräte erfolge über die zentral verwaltete, intern betriebene IT der HHLA. Alle Dienstleister und Lieferanten würden umfassend geprüft. Gleiches berichtet der Betreiber Eurogate. Zudem erfolge die Wartung der Systeme nur durch die firmeneigene Servicegesellschaft.
Hamburger Hafen ContainerterminalsContainerschiffe zwischen den Hafenterminals der Betreiber Eurogate (links) und HHLA am Hamburger Hafen. © DPA
Der Ursprung der Übermacht: Zwischen 1995 und 2015 konnte ZPMC bei vielen Projekten das beste Angebot abgeben, was die hohe Anzahl erkläre, sagt uns Eurogate. Die Association of American Port Authorities erklärt, China subventioniere die ZPMC-Kräne, so dass sie etwa die Hälfte der Konkurrenzkräne kosten.Veränderung in Sicht? In den Projekten nach 2015 hätten sich jedoch auch andere Wettbewerber wie der Schweizer Maschinenbauer Liebherr durchgesetzt, so Eurogate. Im Schnitt laufen die Containerbrücken etwa 20 bis 25 Jahre.Position stärken: Da die maritime Wirtschaft für Deutschland als Exportland von enormer strategischer Bedeutung sei, fordert FDP-Politiker Christian Bartelt, „regelmäßige Abhängigkeits-Stresstests und Risikoanalysen mit dem Ziel, unsere Wettbewerbsposition gegenüber der Volksrepublik zu stärken“.

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