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61 The EU

25 Jahre EZB: Die Schadensbilanz

01.06.2023

Die Realität wird zunehmend surreal.© Stefan Rogal

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Womit wir beim 25. Geburtstag der EZB gelandet wären, der heute offiziell begangen wird. Bereits seit Tagen feiern die Verantwortlichen – die EZB-Präsidentin Lagarde, die Kommissionspräsidentin von der Leyen und auch der deutsche Bundeskanzler Scholz – ein Festival des politischen Zynismus.

Sie loben Verträge, die sie nicht einhalten.

Sie feiern Versprechen, die sie gebrochen haben.

Sie betonen eine Unabhängigkeit der Notenbank, die es nicht gibt.

Sie beschreiben eine Realität, die angesichts der in die Höhe geschossenen Inflation auf Millionen Menschen irreal wirkt.

 Vielen Dank liebe EZB, dass du 25 Jahre unsere Währung bewacht hast. “
Das sagte Olaf Scholz beim Festakt, der schon eine Woche vor dem Geburtstag begangen wurde.
„25 Jahre EZB bedeuten 25 Jahre lang Wohlstand und Stabilität“, sekundierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.Wenn es in der Welt der Politik mit rechten Dingen zuginge, dann hätten die Staats- und Regierungschefs und auch die EZB-Führung diese Feierstunde absagen müssen mit der Begründung: Es gibt derzeit nichts zu feiern.Der Kellner kellnert. Der Bäcker backt. Der Lehrer lehrt. Und der Kern vom Kern eines Währungshüters ist es, die Währung zu behüten wie der Schäfer die Schafherde.Genau das tut die EZB seit Längerem schon nicht mehr. Der Schäfer, könnte man meinen, hat die Herde verlassen. Er verfolgt jetzt andere Ziele – er rettet Banken, Staaten und das Klima. Das geplante Inflationsziel von zwei Prozent wurde zwischenzeitlich um 530 Prozent und wird mittlerweile noch immer in der Eurozone um 350 Prozent übertroffen. Die Bilanz nach 25 Jahren EZB gleicht einem Schadensbericht:De facto findet europaweit eine Lohnkürzung statt. Ein Bürger, der 100.000 Euro im Jahr 2023 verdient und gemäß des Warenkorbes konsumiert, verliert innerhalb des Jahres bei einer Inflationsrate von sechs Prozent fast 6.000 Euro an Kaufkraft.Ein Durchschnittsverdiener, der nur 30.000 Euro verdient und daher mehr für die Preistreiber Lebensmittel und Energie ausgibt, verliert deutlich mehr. Dort stiegen die Preise im vergangenen Jahr um 13,4 bzw. 34,7 Prozent an. Normalbeschäftigte und Rentner, sagt Prof. Bert Rürup, sind deutlich ärmer geworden:
 Der durchschnittliche Beschäftigte findet sich auf das Kaufkraftniveau des Jahres 2018 zurückgeworfen. Die aktuellen Lohnsteigerungen können die Inflationswirkung nicht ausgleichen. “

EZB: Inflation steigt

Jährliche Inflationsrate in Deutschland seit Einführung des Euro, in Prozent
Wer sich im Vertrauen auf die Geldwertstabilität verschuldet hat und nun mit hohen Zinsen für seine Leichtgläubigkeit bestraft wird, gerät schnell an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Europas größte Wohnungsgesellschaft, die Vonovia, sagte unter Verweis auf die hohen Zinsen alle Bauprojekte für 2023 ab, womit die Wohnungsnot in Deutschland weiter verschärft wird.

 Comeback der Zinsen

 Entwicklung der Leitzinsen der EZB seit 1999, in Prozent
Auch der Außenwert des Euro hat spürbar gelitten. Vom bisherigen Höchststand, der im Juli 2008 mit 1,6 US-Dollar erreicht wurde, ist man heute 53 Cent oder 50 Prozent entfernt. Das bedeutet: Im Außenhandel muss man deutlich mehr Euros investieren, um im Dollar-Raum einkaufen zu können.

Die Euro-Dollar-Parität

 Wechselkurs des Euro in US-Dollar seit 2008, in US-Dollar
An den Folgen einer Politik, die sich an allen möglichen politischen Zielen, aber nicht am Ziel der Geldwertstabilität ausgerichtet hat, wird Europa noch lange leiden. Alle monetären Aggregate drehen im roten Bereich. Die Geldmenge M3 – dazu zählen unter anderem Bargeld, Einlagen auf Girokonten sowie Geldmarktpapiere und Schuldverschreibungen – wurde von 4,6 Billionen Euro im Jahr 1999 auf über 16 Billionen Euro mehr als verdreifacht.

Die Geldmengen-Expansion

Entwicklung der Geldmenge M3 in der Eurozone von 1999 bis April 2023, in Billionen Euro

Im EZB-Führungsgremium will man keinen Zusammenhang zwischen der Ausweitung der Geldmenge und der Inflation sehen – oder zumindest nicht öffentlich zugeben. So wie der Ketchup zum Hamburger gehören daher die Fehlprognosen zur EZB. Eine Wirklichkeit eigener Prägung ist entstanden. Putin ist an allem schuld.

Fazit: Die Geschichte der EZB ist eine Geschichte, die sich mustergültig für ein Seminar über „Politik und Zynismus“ eignen würde. Es wird vorsätzlich anders gesprochen als gehandelt und es wird gefeiert, wenn getrauert werden müsste. Die Stabilität in der Eurozone ist die beste Stabilität, die man für Geld kaufen kann.
 Das Absurde hat nur insofern einen Sinn, als dass wir uns nicht mit ihm abfinden. “
Albert Camus:

Dazu passt: Mein Kollege, der Pioneer-Wirtschaftsredakteur Alexander Wiedmann, hat sich in seinem Videokommentar ebenfalls kritisch mit dem EZB-Jubiläum auseinandergesetzt. Seine Anmerkungen sehen Sie hier.

Das Absurde wird auf die Spitze getrieben, wenn die EU Waffenlieferungen in die Ukraine durch finanzielle Unterstützung ihrer Mitgliedssataaten und die Subvetionierung der Rütsungsindutrie fördert. Siehe dazu ausfuehrlich den folgenden Artikel:

Die EU investiert zu viel in das ukrainische Kriegsprojekt
Die Ukraine ist kein eigenständiges außenpolitisches Thema, sondern vielmehr der Dreh- und Angelpunkt, um den sich die wirtschaftlichen Aussichten Europas drehen werden.

Alastair CrookeGlobale Forschung, 24. Mai 2023 Strategische Kulturstiftung 22. Mai 2023

Neuer Drift der globalen Kräfteverhältnisse?

Durch den Krieg in der Ukraine steht die EU vor einer historisch einmaligen geostrategischen und ökonomischen Neuausrichtung. ThePioneer Expert Svetlana Alexeeva analysiert, welche staatlichen Akteure jetzt die Weltordnung neu mitbestimmen.

Ob Russlands Präsident Wladimir Putin den Angriff auf das Nachbarland Ukraine aus krankhafter Obsession, Angst vor dem eigenen Machtverlust und einem möglichen Regimewechsel nach 21 Jahren autoritär-reaktionärer Herrschaft oder aber dem Wunsch nach einem Stellvertreterkrieg auf dem ukrainischen Territorium mit dem „wahren“ Gegner Amerika heraus befahl, wir wissen es nicht genau.

Mitten in Europa herrscht ein veritabler Krieg, erstmals seit 1945. Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der internationalen Ordnung und eine Zäsur für die Weltwirtschaft.

Obgleich die Kriegsgräuel andauern, ist ein Blick aus der Distanz wichtig, um die großen geostrategischen Linien im Auge zu behalten.

Die internationale Ordnung ist nicht erst durch die russische Invasion unter Druck

Fakt ist: Die gegenwärtige Weltordnung wurde nicht erst durch die russische Invasion erschüttert. Es ist der vorläufige Tiefpunkt einer längeren Entwicklung.

„Das Konzept einer wertebasierten und regelgestützten Weltordnung ist im globalen Maßstab gescheitert“, konstatiert Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Es werde von einer Reihe relevanter Akteure nicht akzeptiert. „Der tiefe Bruch damit durch Putins Angriff auf die Ukraine hat gezeigt, dass der Geltungsbereich dieser Ordnung tendenziell auf die westlichen Demokratien beschränkt ist“, so Münkler kürzlich im Handelsblatt-PodcastChina stehe dazu ebenso auf Distanz.

Eine ähnliche Meinung vertritt auch Nikolaj Petrow vom Russland- und Eurasien-Programm am Chatham House in London. Die Machtbalance sei mit dem Auftauchen neuer Machtzentren – China, Indien, Russland (im militärisch-politischen Sinn) – gekippt, so Petrow im unabhängigen Radiosender Echo Moskau kurz vor dessen Abschaltung durch russische Behörden.

Die bisherige Sicherheitsarchitektur sei nicht mehr zeitgemäß und hätte die militärische Eskalation leider nicht verhindern können.

China: Putins einzige geopolitische Ausweichmöglichkeit

Aktuell habe das Putin-Regime eine einzige geopolitische Ausweichmöglichkeit: China, befindet Asienexperte Eberhard Sandschneider. Anfang Februar schworen sich Russlands Präsident und sein Amtskollege Xi Jinping noch „grenzenlose Freundschaft“ und eine „zukunftsorientierte strategische Partnerschaft„.

Zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking veröffentlichte Putin einen Gastbeitrag für die Nachrichtenagentur Xinhua, in dem sich vieles heute wie eine Warnung an den Westen liest:

Wir bauen Abrechnungssysteme in nationalen Währungen konsequent aus und schaffen Mechanismen, um die negativen Auswirkungen einseitiger Sanktionen auszugleichen.Wladimir Putin

Beide Länder arbeiten im Rahmen ihrer jeweiligen, langfristig orientierten Konfrontationspolitik gegen die USA schon lange an Alternativen für die US-Dollar-basierte Finanzordnung.

Insbesondere mit der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB), dem Zahlungssystem Cips (Chinas Cross-Border Interbank Payment System), um grenzüberschreitende Transaktionen mit Renminbi abzuwickeln oder der Entwicklung eines digitalen Yuan bringt das kommunistisch regierte Land seit Jahren gezielt konkurrierende Mechanismen gegen die Dollar-Dominanz in Stellung.

Wenngleich Cips bei Effizienz und Akzeptanz noch lange nicht an das internationale Zahlungsinformations-System SWIFT heranreicht, wachsen doch Teilnehmerkreis und Transaktionsumfang beständig. Beispiele dafür sind der Iran, Pakistan oder einige arabische Länder, denen China anstatt in US-Dollar anderweitige Abrechnungsmethoden für Öl anbietet. Banken in Afghanistan, die seit der Machtübernahme der Taliban 2021 keinen Zugang mehr zu SWIFT haben, sehen im chinesischen System eine mögliche Lösung. Die Bedeutung des chinesischen Yuan als wichtige Regionalwährung wird auch mit dem Inkrafttreten des weltgrößten Freihandelsabkommens RCEP am 1. Januar 2022, dem 15 indopazifische Nationen angehören, steigen.

Dagegen beziehen sich Erfolge des Verbündeten Russland beim Aufbau einer alternativen Finanzinfrastruktur bisher vornehmlich auf den Binnenmarkt.

Seit 2014 entwickelt Russlands Notenbank ein Transaktionssystem SPFS (System for Transfer of Financial Messages). Im Inland können die Bürger mit der Debitkarte MIR statt Visa oder Mastercard bezahlen. Eine nationale Cyberdevise ist auch geplant. Laut Finanzministerium soll der e-Rubel spätestens 2030 als vollwertiges Digitalgeld in Umlauf kommen. Trotz enger Handelsbeziehungen waren finanzielle Verbindungen der beiden Länder bisher unterentwickelt. Das kann sich aufgrund der laufenden Militäroperation Russlands in der Ukraine jetzt ändern, wenn nach dem SWIFT-Ausschluss russischer Banken und den eingefrorenen Euro- und Dollar-Reserven der Zentralbank grenzüberschreitende Transaktionen vermehrt in Renminbi oder Rubel und tendenziell über Cips abgewickelt werden würden.

Angeblich nutzt Russland auch Krypto-Assets, um die westlichen Sanktionen zu umgehen.

Bei den Ländern aus der „Liste der freundlichen Staaten“ wolle man eventuell auch Bitcoin und Gold als Zahlungsmittel für Erdgas und andere Rohstoffe akzeptieren. Dem will die EU einen Riegel vorschieben und die Liste der Technologien und Güter, die nicht exportiert werden dürfen, um Krypto-Vermögenswerte vervollständigen.

Indien steigt zum wichtigen Player auf

Auch Indien, das sich übrigens wie China bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über die Ukraine-Resolution enthalten hat, pflegt eine besondere Beziehung zu Russland.

Dies hat historische Gründe: Die Sowjetunion war für das unabhängige Indien lange ein sehr wichtiger Ansprechpartner.

Heute beliefert Russland das Land mit Rüstungsgütern und Erdöl, das die Regierung in Neu-Delhi nun zu Discountpreisen angeboten bekommt. Es heißt, man arbeite gerade an einem Zahlungsmechanismus, der ungeachtet bestehender Sanktionen funktionieren soll.

Mit dem Iran soll Indien Ähnliches praktiziert haben, die USA hätten dies toleriert, denn Indien gilt als wichtiger Partner und Gegenpol zu Chinas Ambitionen in der Region. Die russische Regierung lud indische Kontrahenten, wie übrigens auch den Iran, dazu ein, sich am russischen Finanznachrichtensystem SPFS zu beteiligen. Die gegenseitige Anerkennung von Debitkarten (RuPay und MIR) ist ebenso im Gespräch.

Die zentrale Frage bleibt: Wie wird sich China in der Ukrainekrise verhalten? Denn die Haltung der asiatischen Supermacht wird Auswirkungen nicht nur auf die globale Sicherheit, sondern auch die weltweite Wertschöpfung haben.

Die USA haben das kommunistische Land wiederholt gewarnt, die Sanktionen nicht zu hintertreiben, um nicht selbst zur Zielscheibe zu werden. Bislang gibt sich die Staats- und Parteiführung betont neutral und vermeidet Festlegungen. Das kann verschiedene Gründe haben, schließlich verfolgt das Reich in der Mitte, wie die Vergangenheit oft gezeigt hat, in erster Linie eigene geostrategische Interessen. Den Krim-Anschluss 2014 hat China bis heute nicht anerkannt. Russland wiederum trat der Infrastrukturinitiative Belt-and-Road (BRI) nie ganz bei und entwickelte mit Ländern wie Belarus, Armenien und Kasachstan parallel dazu die Eurasische Wirtschaftsunion.

Taiwan-Frage außer Diskussion

Chinas Eiertanz in der Ukrainefrage hat auch mit Taiwan zu tun. Obgleich die USA und EU für die Volksrepublik ökonomisch weitaus relevanter sind als Russland, ist die Taiwan-Frage für China außer Diskussion.

Da die US-Administration zu Unterstützern Taiwans gehört und es darüber hinaus nicht nur mit Waffen versorgt, sondern auch militärischen Beistand zugesagt hat, ist es im chinesischen Interesse, alle Rufe nach Schulterschluss mit dem Westen von sich zu weisen.

Einen wichtigen Grund vermutet Experte Sandschneider in der Strategie „Made in China 2025“. In drei Jahren stehe der Ergebnischeck an, wie weit man es bis zur Technologieführerschaft in zehn Schlüsselbranchen gebracht hat. Zudem findet im Herbst der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas statt. Entgegen bisheriger Tradition würde sich Xi hier für die dritte Amtszeit wählen lassen und agiert in hohem Maße bedacht, um seine Stellung angesichts vieler Herausforderungen – Coronapandemie, Bevölkerungsalterung, Vermögenskluft, Risiko einer Immobilienblase, Landesimage – nicht zu gefährden.

Ein Juniorpartner Russland, dessen Markt gerade vom entwickelten Teil der Weltwirtschaft finanziell, ökonomisch und technologisch isoliert wird und der als Lieferant billiger Rohstoffe auf Chinas Abnahme- und Zahlungsbereitschaft angewiesen ist, birgt Risiken, aber auch Vorteile.

Denn nach dem Rückzug westlicher Konzerne eröffnen sich für chinesische Hersteller von Elektrotechnik, Haushaltsgeräten, Smartphones oder Autos (Chinas Haval ist bereits in Russland vertreten) neue Perspektiven. Zudem winken Joint Ventures mit russischen Energiekonzernen, wenn der Kreml von seiner restriktiven Haltung im Öl- und Gassektor oder der Landwirtschaft im Falle Chinas abrücke, gibt Alexej Maslow vom Institute of Asian and African Studies, Lomonossow-Universität Moskau (MGU) zu bedenken. Chinesische Staatskonzerne sind bereits Gesellschafter in zwei großen Gasförderprojekten für LNG-Produktion auf der Jamal-Halbinsel, die vom russischen Energiekonzern Novatek betrieben werden.

„Der große machtpolitische Nutznießer dieses Konflikts wird die Volksrepublik sein“, glaubt Chinaexperte Sandschneider.

In jedem Fall bewirken regionale Verwerfungen – der Ukrainekrieg und Russland unter harten Sanktionen – bereits gravierende globale Folgen. Dabei hat der Grundsatzkonflikt USA-China nach wie vor Bestand.

Würde Xi Putin mehr oder weniger offen Hilfe leisten, und sei es in Form verbotener High-Tech-Exporte wie Computerchips, und Amerika exterritoriale Sekundärsanktionen gegen China verhängen, kann es eine Blockbildung auf der Welt massiv beschleunigen.

Doch bisher erklärt das Reich der Mitte, „eine konstruktive Rolle“ in der Krise spielen zu wollen.

Kreditinstitute halten sich an die westlichen Sanktionen. Waffenlieferungen werden dementiert, das Gegenteil ist der Fall: Die Volksrepublik schickt humanitäre Hilfe in die Ukraine.

Das Tauziehen zwischen den Systemrivalen USA und China wird mit Sicherheit weitergehen, wenngleich eine Aufspaltung in Blöcke noch nicht in Stein gemeißelt ist. Ihre jeweiligen Verbündeten, EU und Russland, sind durch den Ukrainekrieg geschwächt. Das Decoupling, kostspielige Anpassungen etablierter transkontinentaler Logistik- und Wertschöpfungsketten und Handelsumlenkung bei Energie- und Rohstoffgütern, bezahlen sie mit erheblichen Wohlfahrtsverlusten und stark anziehender Inflation.

Indien könnte ebenfalls ein Schlüsselakteur der künftigen Weltordnung werden. Nach der Wirtschaftskraft, gemessen als das kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP), ist es die weltweit drittgrößte Volkswirtschaft nach China und USA, die zudem extrem schnell wächst. Bei der Bevölkerungsgröße liegt dieses zweite Kraftzentrum Asiens schon heute gleichauf mit dem Rivalen China. Beide zusammen stellen mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung dar.

Europa vor einem Kraftakt

Damit steht die EU vor einer in seiner Geschichte einmaligen geostrategischen und geoökonomischen Neuausrichtung.

Will Europa eine eigenständige Rolle in der zukünftigen Weltordnung spielen, muss es sein „Portfolio der Machtsorten“ – militärisch, politisch, wirtschaftlich, kulturell – dringend austarieren, rät Politologe Münkler.

Entscheidend werden die Taten sein, die etwa der Ankündigung einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie durch Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock oder dem „Re-Power EU“-Konzept der EU-Kommission folgen werden. Da der Druck krisenbedingt enorm hoch ist, kann der Umbauprozess hin zu mehr Resilienz und ökologischer Nachhaltigkeit sogar beschleunigt ablaufen. Verbündete für sich zu gewinnen, vor allem relevante Akteure aus dem Nahen und Mittleren Osten, Lateinamerika, Afrika und Südostasien, ist ebenso wichtig.

Bis wieder ein stabiles Gleichgewicht auf der Welt herrscht, wird man viel Durchhaltevermögen brauchen.

Dieser Text stammt von unserer Pioneer-Expertin Svetlana Alexeeva. Möchten auch Sie Ihre Expertise einbringen? Hier erklären wir, wie Sie ein Pioneer-Expert werden können.

Die Energiewende

Womit wir bei der ARD und Emmanuel Macron wären. Der große, staatsnahe Deutschland-Sender, der mit jährlichen Einnahmen in Höhe von sieben Milliarden Euro keine Ressourcenknappheit für sich reklamieren kann, hat den effektivsten Kritiker der Brüsseler und Berliner Energiewende de facto trockengelegt.

Dabei fiel Macrons jüngste Absage an die klimapolitische Selbstbeschleunigung von Ursula von der Leyen und Robert Habeck nicht diplomatisch, sondern saftig aus. Sie wurde international – von Le Monde in Paris über die Financial Times in London bis zum Wall Street Journal in New York – als Breaking News behandelt.

Nur die ARD blieb – und zwar im TV und auf ihren digitalen Plattformen – stumm. Der Élyséepalast musste lernen: Jeder Klimakleber darf im staatsnahen deutschen Fernsehen mit mehr Aufmerksamkeit rechnen als der französische Präsident.

Warum das wichtig ist: Macron hatte bei der Vorstellung seinerStrategie zur Reindustrialisierung am Donnerstag gesagt: „Ich rufe zur europäischen regulatorischen Pause auf.“ Er führte aus, dass er damit de facto ein Moratorium für den Green Deal meinte:

„Wir setzen um, was wir beschlossen haben, aber wir müssen aufhören, immer mehr zu beschließen“. Sonst riskiere Europa bei der Regulatorik zu den besten, aber ökonomisch zu den schlechtesten Performern der Welt zu gehören.

Jean-Dominique Senard, Chairman und CEO von Renault-Nissan-Mitsubishi, freute sich über die Einsicht der Politik: „Wir müssen uns selbst mehr Zeit geben, um das umzusetzen,“ sagt er im französischen Fernsehen.

Auch Ursula von der Leyen, deren Aufstieg in die Spitze der EU-Kommission ohne Macron nicht denkbar gewesen wäre, drehte sprachlich bei: Die EU müsse unverzüglich ihre Kapazitäten prüfen, ob die große Anzahl neuer Gesetze überhaupt absorbiert werden könne – auch und gerade im Bereich der Klimapolitik.

Die größte Fraktion im Europäischen Parlament, die Europäische Volkspartei unter Führung von Manfred Weber von der CSU, begrüßte von der Leyens Entscheidung, „über den Umfang und die Geschwindigkeit, mit der diese Prozesse ablaufen, nachzudenken“.Er sieht die politischen Risiken, die bei der im Juni kommenden Jahres geplanten Europawahl zu heftigen Verlusten führen dürften:
 Wenn das Klima gewinnt und der Rest der Gesellschaft dabei verliert, dann ist das kein Nullsummenspiel. “
Auch die deutsche Wirtschaft – die gerade erst um Haaresbreite einem rigorosen Verbrennerverbot entkommen ist – sehnt sich nach einem Klima-Moratorium. Denn die ökologischen Effekte der Klimawende sind aufgrund der CO2-Verlagerungseffekte zweifelhaft, die ökonomischen und politischen aber nicht:
Die EU stieß 2021 rund 364 Millionen Tonnen CO2 weniger aus als noch vor fünf Jahren, während der Rest der Welt im gleichen Zeitraum um 1,6 Milliarden Tonnen zulegte. Professor Hans-Werner Sinn beschreibt dies als grünes Paradoxon:
 Mit unserer Energiesparpolitik können wir das weltweite Angebot an Kohlenstoff nicht aushebeln. Wir mindern lediglich partiell die Nachfrage und verringern dadurch den Anstieg der Weltmarktpreise, mehr nicht. Damit verschlimmern wir das Problem vermutlich noch. “
CO2: Europa spart, der Rest protzt
CO2-Emissionen der Welt und EU-27 2017 und 2021, in CO2-Äquivalenten
  • Die europäische Industrie leidet und zieht zunehmend Fabrikation und Arbeitsplätze aus Europa ab. BASF will seine Investitionen nach China verlagernVolkswagen baut seine größte Batteriefabrik nun in den USA. Und der internationale Stahlkonzern ArcelorMittal schließt aus Kostengründen zwei Lager in Europa und siedelt ebenfalls in die USA über. 32 Prozent der Investitionen außerhalb von Deutschland haben inzwischen den Zweck der Kostenersparnis. Damit verlassen aus Kostengründen so viele deutsche Firmen den Heimatmarkt wie seit 15 Jahren nicht mehr.
  • Das Wachstum hat sich überall in Europa weiter verlangsamt. Für 2023 wird nur noch mit einem Prozent für 2024 mit 1,7 Prozent Wirtschaftswachstum gerechnet. Deutschland ist dabei Schlusslicht in Europa und Europa wiederum ist das Schlusslicht der Welt.
EU: Langsames Wachstum
Prognostiziertes Wirtschaftswachstum der EU-Länder für 2023, in Prozent
Politisch führt die Klimapolitik in dem Moment, wo sie mit Unbequemlichkeit, Kosten und zusätzlichem bürokratischen Aufwand für den Einzelnen einhergeht, zu Abstoßungsreaktionen. In Deutschland machte Habecks Verbot von Gas- und Ölheizungen den einstigen grünen Politstar zum Verlierer dieser Saison.
 Parteipräferenz: Grüne = AfDParteipräferenzen im aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer von forsa
Die Energie- und Klimapolitik der Ampel lässt die finanziellen Möglichkeiten der Bürger außer Acht. Das sagen im aktuellen Forsa-Trendbarometer 79 Prozent aller Bundesbürger. In allen Ländern Europas profitieren die rechtspopulistischen Bewegungen.
 Europa wählt rechtsStimmenanteile der größten rechtspopulistischen Parteien bei den letzten Wahlen in ausgewählten europäischen Ländern bis 2022

Fazit: Die ARD, die nach 1945 begründet wurde, um die Demokratie zu beleben, kann dem öffentlichen Diskurs so keinen Dienst erweisen. Gerade ein öffentlich-rechtlicher Sender muss – zumal wenn der Präsident der Französischen Republik sich quasi stellvertretend für die Industrie Europas zu Wort meldet – als erste Quelle von Information funktionieren – und nicht als journalistischer Klimakleber

EZB: Die 7 Todsünden der Christine Lagarde

Zuletzt aktualisiert am 05.05.2023 22:25 Uhr

Trotz der hohen Inflation wird das Tempo bei den Zinserhöhungen nicht erhöht. Die bisherigen EZB-Prognosen sind nicht eingetreten, auch wurden die Ziele verfehlt. Doch die EZB-Präsidentin Christine Lagarde setzt immer noch auf die Politik der Geldflutung.

Wider aller EZB-Prognosen ist die Inflation im Euroraum erneut gestiegen. Sie liegt mit sieben Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 250 Prozent oberhalb des offiziellen EZB-Ziels von zwei Prozent.

Bei einer derartigen Zielverfehlung würde jeder Vorstandschef zurücktreten müssen. Nicht so Christine Lagarde, was daran liegt, dass ihre Machtbasis nicht das EZB-Direktorium ist, sondern der Élysée-Palast. Präsident Emmanuel Macron hat ihr – nach einem Machtpoker mit Angela Merkel, die dafür den Posten der EU-Kommissionspräsidentin vergeben durfte – die Verantwortung für die europäische Einheitswährung anvertraut. Nur er kann sie ihr auch wieder nehmen.

Das aber wird er nicht tun, denn ihre Politik der Geldflutung war immer auch seine. Machttechnisch also ist sie nicht angreifbar, inhaltlich dafür umso mehr:

Fehler 1: Sie umgibt sich mit willfährigen Beratern. Beispiel: Prof. Isabel Schnabel. Nachdem die deutsche Finanzwissenschaftlerin an der Universität Bonn sich jahrelang als Lagarde-Fangirl in der Öffentlichkeit präsentiert hat, durfte sie in das EZB-Direktorium einziehen. Gerne singt sie Lobeshymnen auf ihre Chefin:

Frau Lagarde ist auf jeden Fall eine international sehr erfahrene Frau mit hervorragenden kommunikativen Fähigkeiten. Sie hat bewiesen, dass sie eine große Institution leiten und mit vielfältigen Konflikten umgehen kann.

Später bestärkte Schnabel ihre Chefin Lagarde darin, die Inflation nicht kleinzuhalten, sondern kleinzureden. Bis es schließlich nicht mehr ging. Im Januar 2022 sagte sie noch:

Wir dürfen die Zinsen nicht zu früh erhöhen.

Heute gibt sie zu, was ohnehin nicht mehr zu bestreiten ist:

Wir haben die Dauerhaftigkeit der Inflation unterschätzt und die Signale für eine höhere Inflation nicht ernst genug genommen.

Fehler 2: Keine Firma, kein Institut und auch keine Notenbank publizierte so hartnäckig so viele Fehlprognosen wie die EZB unter Christine Lagarde. Jahrelang versuchte man, den Märkten einzureden, dass überhaupt gar kein Inflationsrisiko besteht, und selbst als die Inflation ihr hässliches Gesicht zeigte, hielt man sie für „transitory“, also für ein Übergangsphänomen.

Inflation: Der weltweite Vergleich

Vergleich der Inflationsrate in der Eurozone, den USA und Großbritannien, in Prozent

Fehler 3: Diese Fehlprognosen beruhen auf einem Theoriedefizit, das die Juristin Lagarde von Anfang an ausgezeichnet hat. Die alte Bundesbank, die in Europa für die Festigkeit und Wertbeständigkeit der Deutschen Mark das weithin sichtbare Symbol war, arbeitete zeitlebens mit der Geldmengentheorie. Diese besagt, dass wenn die Geldmenge stärker steigt als die Summe der Waren und Dienstleistungen, sich eine Blase bildet, die sich früher oder später in höheren Inflationsraten entlädt.

EZB: Chronische Fehlprognosen

Inflationsentwicklung in der Eurozone (Veränderung gegenüber Vorjahresmonat) und Prognosen der EZB, in Prozent

Europe must resist pressure to become ‘America’s followers,’ says Macron

The ‘great risk’ Europe faces is getting ‘caught up in crises that are not ours,’ French president says in interview.

BY JAMIL ANDERLINI AND CLEA CAULCUTT

APRIL 9, 2023 12:39 PM CET

Cet article est aussi disponible en français.

ABOARD COTAM UNITÉ (FRANCE’S AIR FORCE ONE) — Europe must reduce its dependency on the United States and avoid getting dragged into a confrontation between China and the U.S. over Taiwan, French President Emmanuel Macron said in an interview on his plane back from a three-day state visit to China.

Speaking with POLITICO and two French journalists after spending around six hours with Chinese President Xi Jinping during his trip, Macron emphasized his pet theory of “strategic autonomy” for Europe, presumably led by France, to become a “third superpower.”

He said “the great risk” Europe faces is that it “gets caught up in crises that are not ours, which prevents it from building its strategic autonomy,” while flying from Beijing to Guangzhou, in southern China, aboard COTAM Unité, France’s Air Force One.

Xi Jinping and the Chinese Communist Party have enthusiastically endorsed Macron’s concept of strategic autonomy and Chinese officials constantly refer to it in their dealings with European countries. Party leaders and theorists in Beijing are convinced the West is in decline and China is on the ascendant and that weakening the transatlantic relationship will help accelerate this trend.

“The paradox would be that, overcome with panic, we believe we are just America’s followers,” Macron said in the interview. “The question Europeans need to answer … is it in our interest to accelerate [a crisis] on Taiwan? No. The worse thing would be to think that we Europeans must become followers on this topic and take our cue from the U.S. agenda and a Chinese overreaction,” he said.

Just hours after his flight left Guangzhou headed back to Paris, China launched large military exercises around the self-ruled island of Taiwan, which China claims as its territory but the U.S. has promised to arm and defend. 

Those exercises were a response to Taiwanese President Tsai Ing-Wen’s 10-day diplomatic tour of Central American countries that included a meeting with Republican U.S. House Speaker Kevin McCarthy while she transited in California. People familiar with Macron’s thinking said he was happy Beijing had at least waited until he was out of Chinese airspace before launching the simulated “Taiwan encirclement” exercise. 

Beijing has repeatedly threatened to invade in recent years and has a policy of isolating the democratic island by forcing other countries to recognize it as part of “one China.”

Die Schuldenunion

zwischen Berlin und Brüssel hat eine neue Eiszeit begonnen. Die Reform der europäischen Schuldenregeln stößt auf Widerstand in Deutschland. Prof. Dr. Lars Feld, Chefökonom von Finanzminister Christian Lindner, kritisiert die Beschlussvorlage in der aktuellen Folge unseres Ökonomie-Briefings Feld & Haucap scharf:
 Es ist schon ein sehr perfides Regelwerk, dass uns die Kommission hier vorlegt. Meines Erachtens sollte die Bundesregierung das rundweg ablehnen. “
Anders als Bundesfinanzminister Christian Lindner will die EU-Kommission den Mitgliedstaaten mehr finanzielle Freiheiten geben, vor allem was den Schuldenabbau betrifft. Der kann später – oder bei Bedarf auch nie – stattfinden. Feld sagt:
 Hier von Eigenverantwortung zu reden, ist eigentlich eine Farce. “
Dass die Europäische Kommission mit den Vorschlägen einen Schritt auf Deutschland zugemacht hat, sieht er nicht. Im Gegenteil:
 Die behutsamen Vorstöße Deutschlands sind vom Tisch gewischt worden durch die Kommission. Im Grunde ist es ein klarer Affront. “
Er warnt:
 Wir laufen Gefahr, die Verschuldung noch weiter nach oben zu treiben, sodass es dann irgendwann eben nicht mehr anders geht als entweder in der Geldpolitik noch mehr Zugeständnisse zu machen, also inflationärer zu werden, oder in eine vollständige Transferunion überzugehen. Und da muss Deutschland die Reißleine ziehen, das geht so nicht weiter. “
Mehr dazu hören Sie in der aktuellen Podcast-Ausgabe von Feld & Haucap: Klug, klar und kontrovers.

die schwierigste Form der Beherrschung ist die Selbstbeherrschung. Genau deshalb möchte der Staat davon auch nichts wissen. Er will sich nicht beherrschen, er will sich spüren.

Er will nicht nur die eigenen Behörden kontrollieren und dirigieren, sondern am liebsten auch die private Wirtschaft.

Oder anders ausgedrückt: Der Staat will partout nicht Diener, sondern Herr sein.

Das Neue: Der lange Arm des deutschen Staates und der europäischen Bürokratie begehrt neuerdings ein Durchgriffsrecht bis nach Peking, Shanghai und Nanjing. Man will sich in die Investitionsentscheidungen der deutschen Firmen und damit auch in die Export- und Import-Beziehungen der Industrie einmischen. Managed Trade nennen das die amerikanischen Erfinder des Konzepts. Das Wort Planwirtschaft klingt zu belastend.

Erstmals hat sich jetzt mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine führende europäische Politikerin diese Idee eines ökonomischen Interventionismus zu eigen gemacht. Offenbar inspiriert von ihrem Besuch bei Joe Biden, sagte sie gestern in Brüssel:
 Derzeit denken wir darüber nach, ob und wie Europa ein gezieltes Instrument für Auslandsinvestitionen entwickeln sollte. “
Das dahinterstehende Feinkonzept des sogenannten Outbound-Investment-Screening ist ebenfalls eine amerikanische Erfindung. Hier geht es darum, dass der Wirtschaft, die bisher nach den Kriterien von Angebot und Nachfrage, von Preis und Leistung entschieden hat, ein politischer Aufpasser zur Seite gestellt wird.Dieser tritt dann als Anwalt der staatlichen Sicherheitsinteressen auf.Die nämlich will man zum dominanten Kriterium erheben bei der Frage, ob eine Investition in China und anderswo stattfinden und eine Handelsbeziehung dorthin geknüpft werden darf. Die bisherige Exportkontrolle, die nach Waffen und waffentauglichen Zutaten geschaut hatte, gilt also nicht mehr ausreichend, um die Autokraten und Diktatoren in Schach zu halten.
Von der Leyen will in Kürze eine „wirtschaftliche Sicherheitsstrategie“ vorlegen, in der das Regime dieser Investitionssteuerung detailliert beschrieben werden soll. Ihr geht es jetzt nicht mehr um Wachstum und Wohlstand, sondern um Kontrolle. Investitionen in China müssen demnach bei einer neu zu schaffenden Behörde vorgelegt, erläutert und schließlich staatlich genehmigt werden.Warum das wichtig wird: Für die deutsche Wirtschaft ist die Frage des Umgangs mit der Volksrepublik China und den dort lebenden 1,4 Milliarden Kundinnen und Kunden von strategischer Bedeutung. Für die meisten deutschen Firmen ist China eben nicht zuerst der Rivale, sondern der Partner, der Kunde und manchmal auch der fremde Freund:China ist der größte Handelspartner Deutschlands in Asien. Das Volumen von Export und Import zwischen Deutschland und China übertrifft mit 298,2 Milliarden Euro den Wert der Austauschbeziehungen mit den USA, den Niederlanden und Frankreich.
Insbesondere die Chemieindustrie, die Autoindustrie und der deutsche Maschinen- und Anlagenbau sind in China erfolgreich unterwegs: Eben erst investiert BASF zehn Milliarden Euro für eine neue Fabrik in Zhanjiang. VW will in den kommenden Jahren weiter in China investieren und auch Mercedes plant einen mittleren einstelligen Milliardenbetrag.
Investitionen nehmen zu
Netto-Direktinvestitionen aus Deutschland in China seit 2010, in Milliarden Euro

Von der Leyen arbeitet für sich, nicht für Europa – Prof. Kerber im TV-Interview

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat schon mehrere Karrieresprünge hinter sich. Zuletzt wurde sie als neue NATO-Generalsekretärin gehandelt. Das überrascht Prof. Markus C. Kerber nicht. Von der Leyen habe nur eine Agenda: sich selbst – und nicht etwa Europas Interessen.

Redaktion5. April 2023 21:54

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen könnte die nächste NATO-Generalsekretärin werden. Die Meldung machte am Wochenende die Runde. Nach Ansicht von Prof. Markus C. Kerber war das ein “Testballon, wie die NATO auf eine eventuelle Kandidatur von Frau Von der Leyen reagieren würde”. Auch wenn von der Leyen die Meldung später dementierte, könnte sie durchaus Interesse an dem Posten gehabt haben.

Nach von der Leyen kann die Bundeswehr Deutschland nicht mehr verteidigen

Die Reaktionen auf die Meldung in den britischen Medien waren teils reserviert. Aus gutem Grund. Prof. Kerber, der Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaften an der TU Berlin lehrt, verweist im TV-Gespräch mit eXXpress-Redakteur Stefan Beig auf die knapp fünf Jahre von der Leyens als Verteidigungsministerin: “Der jetzige Verteidigungsminister Boris Pistorius hat gesagt: ‘In den nächsten zehn Jahren ist die deutsche Bundeswehr nicht zur Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland einsatzfähig.’ Ich glaube, das sagt alles aus über die Qualität von Frau von der Leyen als NATO-Generalsekretärin.”

Von der Leyen als NATO-Generalsekretärin? Markus C. Kerber ist dagegen.

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Mitarbeiterin von Macron, der von der Leyen zur ihrem Posten verholfen

Die Zusammenarbeit begann in von der Leyens Zeit als Verteidigungsministerin.APA/AFP/Ludovic MARIN

Ebenso trete die EU-Kommissionspräsidentin de facto wie eine Mitarbeitern des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf. “Sie reist gemeinsam mit Macron nach China. Auch ihr China-Vortrag war auf das Engste mit Macron abgestimmt. Sie ist außenpolitisch außerhalb ihrer Kompetenzen im Rahmen der Europäischen Union tätig.” Denn eigentlich müsste sie nur das allgemeine europäische Interesse vertreten. “Das wäre ihre Aufgabe.”

Auch sonst ortet Kerber Handlungen Ursula von der Leyens, die rechtlich durch nichts gerechtfertigt sind. “Das gilt für die gesamte Ukraine-Politik der Europäischen Kommission. Die besteht fast nur aus Versprechungen und sehr hohen Kredit-Zusagen. Sie hat Präsident Selenskyj 19 Milliarden Euro für 2023 aus dem europäischen Budget versprochen.”

Rücksichtslos gegenüber deutschen Interessen

Als Verteidigungsministerin habe sie nicht ein einziges Rüstungsprojekt abgeschlossen. “Dafür ist sie eine Reihe von Operationen mit Frankreich eingegangen – immer zulasten Deutschlands.” Kerber nennt als Beispiel die optischen Aufklärungssatelliten. “Deutschlands Optikforschung stand Kopf, als 2014 eine Kooperation mit Frankreich zustande kam, bei der Frau von der Leyen auf eine Eigenentwicklung, zu der Deutschland durchaus in der Lage war, verzichtet hat. In Frankreich wurde das beklatscht.”

Damit habe die künftige EU-Kommissionspräsidenten “ganz französischen Interessen gedieht um so die Weihen für höhere Ämter zu erhalten.” Mit anderen Worten: Ohne Zustimmung des französischen Präsidenten wäre sie nicht EU-Kommissionspräsidentin geworden.

Ursula von der Leyen hat das Bundesverteidigungsministerium verlassen, als dort eine Berateraffäre die nächste jagte. “Da suchte sie nach einer neuen Tätigkeit, offensichtlich um aus der Verantwortung für das, was sie angerichtet hat, herauszukommen.” Ein Untersuchungsausschuss wurde eingerichtet – doch bevor er tätig wurde, war von der Leyen bereits mit Stimmen der polnischen Konservativen EU-Kommissionspräsidentin geworden. Damit konnte ihr der Untersuchungsausschuss kein Amt mehr nehmen.

Eine ähnliche Situation könnte entstehen, wenn von der Leyen nun NATO-Generalsekretärin wird: Möglicherweise entkäme sie dann Ermittlungen rund um den Pfizer-Deal, den sie als EU-Kommissionspräsidentin ausgehandelt hat.

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