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Schutzmacht Staat: Wie die Marktwirtschaft ins Hintertreffen geriet

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wir haben das Jahrhundert einer dominanten Staatlichkeit betreten. Im ewigen Ringen zwischen Staat und Markt – Wer führt? Wer folgt? – ist nicht erst seit der Bundestagswahl ein neuer Spielstand zu vermelden:
Der ökonomische Liberalismus – die dominante politisch-kulturelle Strömung der 80er- und 90er-Jahre – wandert nach dem Doppelschlag von Weltfinanzkrise und Pandemie ins Abklingbecken der Geschichte. Der Verlierer des noch jungen 21. Jahrhunderts ist die Marktwirtschaft.
And the winner is: Der Staat. In alter Pracht und neuer Herrlichkeit feiert er seine Auferstehung. Er will uns sozial beschützen, ökologisch eng führen, militärisch verteidigen und bürokratisch bevormunden.
Seine Hyperaktivität, darin besteht die Ironie der Geschichte, lässt er sich von den globalen Finanzmärkten finanzieren. So gesehen ist der Neoliberalismus nicht verschwunden. Er hat nur die Position gewechselt: von der politischen Kommandohöhe in den Tresorraum.
Der dirigistische Zeitgeist ist so mächtig, dass er auf die politische Herkunft der Spitzenpolitiker keine Rücksicht mehr nimmt. Die Rückkehr der Staatlichkeit geht diesmal nicht einher mit einem Siegeszug von Sozialisten und Sozialdemokraten, sondern passiert unter der Führung konservativer Politiker in Washington, Brüssel und Berlin. Sie sind nicht die Treiber, nur die Notare ihrer Zeit.
#1 Spielführer Staat
Was mit den staatlichen Ansiedlungsprogrammen (Inflation Reduction Act) in den USA begann, setzt sich mit den Infrastrukturprojekten in Europa fort. Früher hieß das Industriepolitik, heute wird es als nationale Daseinsvorsorge verkauft.
Eben erst hat sich die Große (Schulden-)Koalition in Berlin auf ein 500 Milliarden Kreditprogramm zum Bau von Straßen, Brücken und Schienen verständigt. Selbst die Leiter der ehedem eigentlich marktwirtschaftlich gesinnten Einrichtungen wie das Ifo-Institut in München und das Kiel Institut für Weltwirtschaft heulen mit den Wölfen. Einzig die Wirtschaftsweise Prof. Veronika Grimm findet den starken Staat nicht klug, sondern gierig:
Ich habe das Gefühl, da will nochmal jemand einen Schluck aus der Pulle nehmen, um keine Anpassungen vornehmen zu müssen.
#2 Der Staat als Zollkrieger
Der Glaube an den Freihandel, also den möglichst unbürokratischen Austausch von Waren und Dienstleistungen, ist den meisten Akteuren der Politik abhandengekommen. Der moderne Politiker ist Protektionist. Das vorläufig letzte Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) wurde über zehn Jahre verhandelt und ist noch immer nicht vollumfänglich in Kraft.
Früher hoffte man, durch den Abbau von Zollschrankenden Wohlstand der Nationen zu erhöhen. Heute glaubt man, die gleiche Wirkung durch die Erhöhung von Zöllen zu erreichen.
#3 Die Bastardökonomie
Wenn der Staat nicht mehr weiter weiß, geht er zu den Banken, um sich neues Leihgeld zu besorgen. Kapitalismus und Staat begegnen sich in den Darkrooms der Wall Street, um sich gegenseitig zu befruchten. So kommt es zur Bastardisierung der Verhältnisse.
Die Staatsverschuldung hat sich durch die Vielzahl der Ausgabenprogrammeseit 2000 im Euroraum um knapp 30 Prozent auf eine durchschnittliche Verschuldungsquote von 88 Prozent erhöht. In den USA hat sie sich im selben Zeitraum mehr als verdoppelt. Insgesamt steigen dadurch auch die Staatsquoten, die das Verhältnis zwischen Privatwirtschaft und staatlicher Aktivität ausdrücken. In Deutschland wird mittlerweile fast jeder zweite Euro von einem staatlichen Bürokraten beauftragt, ausgegeben und überwacht.
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#4 Der wehrhafte Staat
Die Verteidigungsausgaben werden seit dem Überfall Russlandsauf die Ukraine überall nach oben gefahren. Zumal der begründete Verdacht besteht, dass Russland es dabei nicht bewenden lassen will. Im September 2024 unterzeichnete Putin ein Dekret zur Aufstockung der Streitkräfte um 180.000 Soldaten, wodurch die Gesamtstärke auf 1,5 Millionen erhöht wurde. Dies ist die dritte Erhöhung seit Beginn des Ukrainekrieges.
Als Reaktion rüsten auch die europäischen Regierungen auf. Deutschland hat soeben ein kreditfinanziertes Programm in der Größenordnung von rund 400 Milliarden Euro beschlossen, zusätzlich zu den 100 Milliarden Euro Rüstungsausgaben, die Olaf Scholz bereits außer der Reihe bewilligt hatte.
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#5 Grüne Planwirtschaft
Die apokalyptischen Prophezeiungen, in deren Zeichen der Klimawandel zur Klimakatastrophe erhöht wurde, lösten eine Flut internationaler Verträge, nationaler Gesetze und bürokratischer Vorgaben aus. Die Transformation der bisher fossil betriebenen Industriegesellschaften wird seitdem mit den Methoden der Planwirtschaft vorangetrieben.
Der Staat greift mit milliardenschweren Incentiveswie dem Green Deal der EU-Kommission und nationalen Vorgaben für den Häuserbau, die Motorisierung der Autos, das Recycling des Verpackungsmülls, die Einführung von CO2-Abgaben und die Subventionierung erneuerbarer Energien in das Wirtschaftsgeschehen ein. Auf Angebot und Nachfrage vertraut in diesem Prozess niemand. Die grüne Revolution ist eine Revolution der Staatlichkeit.
#6 Staat mit Beschützerinstinkt
Überall in Europa wachsen die Wohlfahrtsstaaten schneller als die Privatwirtschaften, weshalb die konsumtiven Ausgaben in den Haushalten zügig steigen, derweil die Investitionsquoten rapide sinken. Angesichts der demographischen Entwicklung, in deren Zuge allein in Deutschland pro Jahr 400.000 Arbeitskräfte den Arbeitsmarkt verlassen, ist ein Rückbau des Sozialstaates undenkbar geworden.
Die Erhöhung des Mindestlohns (SPD),die Einführung einer Mütterrente (CSU) und eine wuchtige Rentenerhöhung (SPD) von 3,74 Prozent, die damit oberhalb des Wirtschaftswachstums und oberhalb der Inflation liegt, gelten in Deutschland als ausgemachte Sache. Auch die Große Koalition in Deutschland wird die Expansion des Sozialstaates und den Dirigismus der Umweltpolitik nicht eindämmen, sondern vorantreiben.
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Fazit: Die Marktwirtschaft hat schon bessere Zeiten erlebt und wird durch die Zwangsheirat von CDU, CSU und SPD weiter unter Druck geraten. Pessimisten sollten sich allerdings mit der Erkenntnis trösten, dass es in der Politik zugeht wie in der Damenmode: Auf Maxi folgt Mini, bevor man dann wieder Maxi trägt.
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