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69 Deutschland und EU Teil 4 Banken – Kollaps, Inlation, Wirtschaftkrise, Zinswende etc.

Deutsche Exportindustrie im Sinkflug

Für die deutsche Exportindustrie hat ein Jahrzehnt des Schreckens begonnen. Und der Schrecken wird umso größer, je weniger die Regierung versteht, was die Stunde geschlagen hat.

Hier die fünf Herausforderungen für ein Land, das seinen Wohlstand immer auch einer erstklassig geölten Exportmaschine verdankte:
Deutschland: Sinkender Exportüberschuss
Saldo der deutschen Außenhandelsbilanz (Differenz zwischen Exporten und Importen von Waren), in Milliarden Euro

25 Jahre EZB: Die Schadensbilanz

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#1 Selbstfesselung durch hohe Energiepreise
100 Prozent plus: Die Energiebasis für die deutsche Exportindustrie hat sich absolut und relativ verschlechtert: Seit der Jahrhundertwende verdoppelte sich der Industriestrompreis pro Kilowattstunde.
Deutschland: Teurer Strom
Industriestrompreise (inklusive Stromsteuer) in Deutschland, in Cent pro Kilowattstunde
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Die Gleichzeitigkeit der politischen Ziele: Die Abstrafung Russlands für seinen Angriffskrieg, die schnelle Erreichung der Klimaneutralität bei gleichzeitiger Ächtung der Atomenergie wirkt als Preistreiber allererste Güte, weshalb die Regierung bereits mit einer Absenkung der Stromsteuer reagieren musste.

Überwälzung unmöglich: Einen erhöhten Strompreis kann man den Bürgern im Inland problemlos aufbrummen. Im Außenhandel funktioniert das nicht. Die Kunden sind nicht bereit, für politisch motivierte Preiserhöhungen zu zahlen. Zumal die meisten Länder der Welt mit mindestens zwei der drei politischen Ziele Deutschlands nicht übereinstimmen.

Der deutsche Handelsbilanzüberschuss schrumpft seit Jahren. Ein historischer Überholvorgang ist im Gange, weshalb der Präsident des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel, Dirk Jandura, entsprechend sauer ist:

 
CO₂-Reduktion durch forcierte Deindustrialisierung ist der falsche Weg. Wir sind für den Rest der Welt nicht das leuchtende Vorbild des Klimaschutzes, sondern das abschreckende Beispiel des Niedergangs. “

#2 China startet Exportoffensive 2.0
Exportoffensive nach Plan: Die strategische Planung der chinesischen KP sieht vor, dass China gigantische Handelsbilanzüberschüsse erzielt. In der ersten Phase der Exportoffensive hatte China den Westen vor allem mit minderwertigen, aber preisgünstigen Angeboten überschwemmt.

Billig und viel: Kinderspielzeug, Weihnachtsschmuck, Holzmöbel, Textilien und einfache technische Geräte wie Radiowecker und CD-Player fanden reißenden Absatz. Heute steht China für ein Drittel der weltweiten Warenproduktion.
Hightech folgt: Präsident Xi Jinping hat ambitionierte Ziele. Er setzt im Hightech-Segment zum Überholvorgang an, nutzt staatliche Subventionen und politische Protektion „to supercharge Chinese manufacturing“, wie der Economist in seiner aktuellen Titelgeschichte schreibt.

E-Auto-Dominanz wird angestrebt: Dank eines technologischen Vorsprungs und günstiger Herstellungskosten glaubt man, das Elektro-Zeitalter dominieren zu können. Der Marktanteil soll verdoppelt werden, sodass 2030 ein Drittel der weltweiten E-Autoproduktion aus China käme.
#3 Amerika sucht Heil im Protektionismus
No-go-Area USA? Amerika wird als das neue China für die deutsche Exportindustrie nicht funktionieren. Demokraten wie Republikaner empfinden die großen Handelsbilanzdefizite mittlerweile als Provokation.

Die 10-Prozent-Idee: In seiner letzten Amtszeit hat Donald Trump vor allem Produkte der Stahl- und der Aluminiumindustrie mit Einfuhrzöllen belegt. Jetzt diskutieren seine Berater einen Einfuhrzoll von zehn Prozent auf alle ausländischen Produkte, was die deutsche Wettbewerbsposition deutlich verschlechtern würde.
Obsessiver Trump: Amerika ist für die deutschen Exporteure mit einem Exportvolumen in Höhe von 158 Milliarden Euro in 2023 das wichtigste Land, noch vor Frankreich und China. Allerdings: Es besitzen 20 von 27 EU-Staaten einen Handelsbilanzüberschuss mit Amerika, was insbesondere Trump nicht akzeptieren möchte. Der Economist schreibt:

 
Trump ist obsessiv darin, Handelsbilanzdefizite zu verfolgen. Für ihn sind die 20 EU-Mitgliedstaaten mit Handelsbilanzüberschüssen gegenüber Amerika ein natürliches Angriffsziel. “
USA: Deutschlands wichtiger Partner
Rangfolge der fünf wichtigsten Handelspartner Deutschlands nach Wert der Exporte im Jahr 2023, in Milliarden Euro
#4 Europas Führer führen nicht
Die Stunde des Nationalstaates: Wenn es nur die Briten wären, die sich von Europa abgewandt haben. Aber praktisch alle europäischen Regierungen sind in dem Irrtum vereint, dies sei die Stunde einer nach innen gerichteten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik.

Der Konsens aus der Corona-Zeit ließ sich offenbar nicht in die Gegenwart retten. In der Energiepolitik macht jeder seins. In der Migrationspolitik produziert Europa viele Papiere, die an den Außengrenzen der EU bisher keine Wirkung entfalten.
Eine europäische Wirtschaftspolitik, die zum Beispiel den einheitlichen Kapitalmarkt als Voraussetzung für ein erhöhtes Investitionsvolumen im Euroraum zum Ziel haben müsste, scheitert an der Kleinstaaterei.

Jeder will die Regeln (und Posten) seiner nationalen Bankenaufsicht retten.
Jeder will seine nationalen Banken (als Schatztruhe für den politischen Notfall) erhalten.
Keiner will einem Einlagensicherungsfonds zustimmen, wo deutsche für italienische Sparer (oder umgekehrt) haften müssten.

#5 Ampel mit falscher Priorität
Kein Rückenwind aus Berlin: Auch von der Ampelkoalition in Berlin haben deutsche Exporteure nicht viel zu erwarten. Im Angesicht der bevorstehenden Wahlniederlagen in drei deutschen Bundesländern (die SPD rangiert in Sachsen und in Thüringen in den Umfragen im Bereich der Fünf-Prozent-Hürde) und zuvor bei der Europawahl im Juni spielt die Außenhandelspolitik keine Rolle.

Sozialstaat first: Die SPD sieht in der Expansion des Sozialstaates ihre zentrale Aufgabe, weshalb das Bürgergeld, die Kindergrundsicherung, aber auch der Zuschuss zur Rentenversicherung als unantastbar gelten. Der Ex-Chef von Goldman Sachs in Deutschland, Jörg Kukies, wurde von Scholz nicht geholt, um die expansive Sozialstaatspolitik zu revidieren, sondern sie der Wirtschaft zu verkaufen.
Staatsziel CO₂-Reduktion: Die Grünen versuchen, ihre Klima-Agenda trotz veränderter ökonomischer Bedingungen durchzusetzen. Das Leiden der Exportindustrie wird billigend in Kauf genommen. Es gilt als Nebenwirkung eines Transformationsprozesses, der seinen Erfolg in Reduktionszielen misst – weniger Energieverbrauch und weniger CO₂-Ausstoß – und nicht im Zuwachs des Konsums, des Exports und damit des Bruttoinlandsprodukts.
Liberal und sparsam: Die FDP kann angesichts der Größenverhältnisse – Rot-Grün verfügt im Bundestag über 325 Mandate, die Liberalen über 91 – nur eine dämpfende Wirkung erzielen. Ihre Fiskalpolitik, die den Schuldenstaat einbremsen will, ist ordnungspolitisch sauber. Aber realpolitisch ist sie in einer Welt, wo Amerika und China mit kreditfinanzierten Programmen operieren, für die Wirtschaft wenig hilfreich. Wenn sie die Wahl hätten zwischen Stimulus und Schuldenbremse, wüssten sich die deutschen Exporteure zu entscheiden.
Investitionsstandort: Nachlassende Attraktivität
Differenz von ausländischen Direktinvestitionen nach Deutschland und Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland, in Milliarden Euro
Fazit: Ostern ist für die Exportindustrie ausgefallen. Ihr fehlt der gütige Gott, weshalb es eine schnelle Himmelfahrt nicht geben kann. Verzweifeln ist dennoch verboten. Als Gott der Exportindustrie (und des Trostes) bietet sich Konfuzius an:

 
Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen. “

Zuletzt aktualisiert am 02.06.2023 19:03 Uhr

Vor 25 Jahren wurde die EZB gegründet. Warum der einstige Währungshüter seit Längerem andere Ziele verfolgt und die Bilanz nach 25 Jahren EZB einem Schadensbericht gleicht, analysiert Gabor Steingart.

Man soll ja den Lehrern und Lehrerinnen an den deutschen Journalistenschulen nicht ins Handwerk pfuschen. Aber eine Unterrichtseinheit über „Politik und Zynismus“ wäre überfällig. Dann würde es den Nachwuchs, wenn er idealistisch aufgeladen in die Wirklichkeit entschlüpft, nicht immer wieder derart hart treffen.

Ich bekam meine Lektion in Sachen Zynismus unterwegs und damit aus heiterem Himmel verabreicht. Die erste Schulmeisterin war die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel.

Wir sprachen über den Nichtwähler, der plötzlich Karriere in den Medien machte. Sie winkte lässig ab. Der Nichtwähler habe zwar am Wahlabend seinen großen Auftritt, sagte sie, sei aber bis zur Sitzverteilung im Parlament wieder in der Versenkung verschwunden. Ihr fröhlicher Alltagszynismus:

Wir Politiker leben in einer Relativwelt.

Sie loben Verträge, die sie nicht einhalten.
Sie feiern Versprechen, die sie gebrochen haben.
Sie betonen eine Unabhängigkeit der Notenbank, die es nicht gibt.
Sie beschreiben eine Realität, die angesichts der in die Höhe geschossenen Inflation auf Millionen Menschen irreal wirkt.

Vielen Dank liebe EZB, dass du 25 Jahre unsere Währung bewacht hast.Das sagte Olaf Scholz beim Festakt, der schon eine Woche vor dem Geburtstag begangen wurde.
„25 Jahre EZB bedeuten 25 Jahre lang Wohlstand und Stabilität“, sekundierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Wenn es in der Welt der Politik mit rechten Dingen zuginge, dann hätten die Staats- und Regierungschefs und auch die EZB-Führung diese Feierstunde absagen müssen mit der Begründung: Es gibt derzeit nichts zu feiern.
Der Kellner kellnert. Der Bäcker backt. Der Lehrer lehrt. Und der Kern vom Kern eines Währungshüters ist es, die Währung zu behüten wie der Schäfer die Schafherde.
Genau das tut die EZB seit Längerem schon nicht mehr. Der Schäfer, könnte man meinen, hat die Herde verlassen. Er verfolgt jetzt andere Ziele – er rettet Banken, Staaten und das Klima. Das geplante Inflationsziel von zwei Prozent wurde zwischenzeitlich um 530 Prozent und wird mittlerweile noch immer in der Eurozone um 350 Prozent übertroffen. Die Bilanz nach 25 Jahren EZB gleicht einem Schadensbericht:
De facto findet europaweit eine Lohnkürzung statt. Ein Bürger, der 100.000 Euro im Jahr 2023 verdient und gemäß des Warenkorbes konsumiert, verliert innerhalb des Jahres bei einer Inflationsrate von sechs Prozent fast 6.000 Euro an Kaufkraft.
Ein Durchschnittsverdiener, der nur 30.000 Euro verdient und daher mehr für die Preistreiber Lebensmittel und Energie ausgibt, verliert deutlich mehr. Dort stiegen die Preise im vergangenen Jahr um 13,4 bzw. 34,7 Prozent an. Normalbeschäftigte und Rentner, sagt Prof. Bert Rürup, sind deutlich ärmer geworden:
Der durchschnittliche Beschäftigte findet sich auf das Kaufkraftniveau des Jahres 2018 zurückgeworfen. Die aktuellen Lohnsteigerungen können die Inflationswirkung nicht ausgleichen.
Eine Infografik mit dem Titel:EZB: Inflation steigt
Jährliche Inflationsrate in Deutschland seit Einführung des Euro, in Prozent

















Sie loben Verträge, die sie nicht einhalten.
Sie feiern Versprechen, die sie gebrochen haben.
Sie betonen eine Unabhängigkeit der Notenbank, die es nicht gibt.
Sie beschreiben eine Realität, die angesichts der in die Höhe geschossenen Inflation auf Millionen Menschen irreal wirkt.



















Sinkende Arbeitslosigkeit, Sinkende Reallöhne, Streik

27.03.2023

Seit Mitternacht erlebt Deutschland einen Generalstreik neuer Dimension. Auf den ersten Blick sieht alles normal aus: Der Bäcker backt, der Lehrer lehrt und der Händler handelt. Die einzelnen Organe der Volkswirtschaft funktionieren also noch.Aber die Blutbahn zwischen diesen Organen – also die Mobilitätsinfrastruktur des Landes – wird heute vorsätzlich verklumpt. Das Flugzeug fliegt nicht. Die Eisenbahn und der Nahverkehrsbus stehen im Depot. An den Schleusen der Wasserstraßen wird nicht geschleust. Im Hamburger Hafen wird nichts verladen.
 Reallöhne sinkenVeränderung des Reallohnindex, Nominallohnindex und Verbraucherpreisindex gegenüber dem Vorjahr, in Prozent

Der Verkehrsinfarkt wird durch die Streikenden und ihre Funktionäre mutwillig herbeigeführt. Ein von Georg Herwegh 1863 verfasstes Gedicht erlebt seine zeitgemäße Neuinterpretation:

„Mann der Arbeit, aufgewacht!

Erkenne deine Macht!

Alle Räder stehen still,

wenn dein starker Arm es will.“

Rund 100.000 Streikende werden heute dafür sorgen, dass die Züge von rund drei Millionen Zugreisenden und Flüge von 380.000 Flugreisenden annulliert sind. Die Flughäfen München, Berlin, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Köln/Bonn und Stuttgart haben de facto geschlossen. Im Straßenverkehr rechnet man mit heftigen Staus. An der Elbmündung warten mehr als 20 Schiffe auf die Einfahrt nach Hamburg.
 Personenverkehr: Das Auto dominiertAnteil der Verkehrsträger am deutschen Personenverkehr 2022, in Prozent

Vordergründig geht es um Lohnerhöhungen und Inflationsausgleich:

  • Die EVG fordert für das Bahnpersonal mindestens 650 Euro mehr Lohn. Bei den höheren Entgelten strebt sie eine Steigerung um zwölf Prozent an – bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten.
  • Verdi fordert für den öffentlichen Dienst 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr Lohn.
Aber in Wahrheit klopft hier der Vorbote einer neuen Zeit an die Tür der Deutschen. Der demographische Wandel hat die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zum Tanzen gebracht. Die Angst vor dem Gespenst der Arbeitslosigkeit ist verschwunden. Heute fürchten sich nicht mehr die Arbeitnehmer, sondern die Arbeitgeber – und zwar vor der Leere in Büro, Fabrik oder Abfertigungshalle, ausgelöst durch den chronisch gewordenen Arbeitskräftemangel.Früher gab es auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik mehr Nachfrage als Angebot. 2005 waren 4,9 Millionen Menschen oder 11,7 Prozent aller Erwerbsfähigen arbeitslos. Das waren goldene Zeiten für Unternehmer.
 Arbeitslosigkeit: Der Rückgang
Arbeitslosenquote unter allen zivilen Erwerbspersonen, in Prozent

Die Kräfteverhältnisse haben sich seither verkehrt: Das Jahrhundert der Arbeitnehmer hat begonnen.

n einem Land, in dem jährlich rund 400.000 Arbeitnehmer in den Ruhestand wechseln und durch Nachwuchs, der nicht geboren wurde, auch nicht ersetzt werden können, kommt es zur systematischen Nachfrageverknappung. Das bedeutet:Das aktive Arbeitskräftepotenzial erfährt eine Aufwertung. Innerhalb der Betriebe kommt es zur Neuverteilung von Macht und Geld. Neuerdings fließen Geld und Ressourcen in das sogenannte „Talent Attraction Management“.Die neue Mangellage verleiht den Gewerkschaften Flügel. Die Lücke zwischen Forderung und Gehalt dürfte sich im kommenden Jahr schließen. Die Unternehmer sind erpressbar geworden.
 Streiks gewinnen an Dynamik
Anzahl der von Streiks betroffenen Betriebe in Deutschland seit 1993
Fazit: Wer ist stärker, der Elefant oder der Löwe?, wurde neulich in einer Tierdokumentation gefragt. Die Antwort: Es kommt auf die Uhrzeit an. Tagsüber kann sich der Elefant jederzeit gegen den Löwen zur Wehr setzen. Im Dunkeln aber, da die Löwen deutlich bessere Augen besitzen und der Elefant nahezu nachtblind sei, sähe es anders aus:
 At night we see a change of power. “
Diesen Machtwechsel erleben wir nun auf dem Arbeitsmarkt: Die Arbeitgeber im Transportgewerbe und ihre Passagiere sind in die Geiselhaft der Gewerkschaften geraten. Ihre Sonnenfinsternis hat begonnen.
Sollten die Verhandlungen zwischen den 2,5 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und ihren Arbeitgebern scheitern, droht Verdi-Chef Frank Werneke schon einmal vorsorglich mit einer Ausweitung des Arbeitskampfes. Die Streikbereitschaft sei sehr hoch.Im Gespräch mit meinem Kollegen Rasmus Buchsteiner sagte der Gewerkschaftsboss gestern Abend:
 Für den Fall, dass es zu keiner Verständigung kommen sollte, bin ich mir einigermaßen sicher, dass das dann auch in anderen Bereichen der Fall wäre. “
Doch Werneke betont:
 Wir versuchen gemeinsam, diese Situation nicht entstehen zu lassen. “
Der Verdi-Vorsitzende verteidigt die groß angelegten Arbeitsniederlegungen an diesem Montag, die gemeinsam mit der EVG geplant worden sind:
 Wir machen einen eintägigen Warnstreik. Der hat Wirkung, keine Frage. Ein wirkungsloser Arbeitskampf macht wenig Sinn. Das sind Operettenstreiks. Und Operettenstreiks passen wirklich nicht in diese Zeit. “
Fazit: Im heutigen Pioneer Podcast hören Sie die Töne eines neuen gewerkschaftlichen Selbstbewusstseins.

Zinswende

der Absturz der Silicon Valley Bank hat uns eines deutlich vor Augen geführt: Das Risiko der Zinswende bleibt auch dann ein Risiko, wenn die Zinswende selbst unvermeidlich ist. Denn das ist sie:Die Geldflutungspolitik der Notenbanken musste beendet werden, weil sie die Substanz unseres Geldes verwässert.Das Geld musste wieder einen Preis bekommen, damit die Inflation nicht die Kaufkraft der Einkommen und Vermögen auffrisst.Die Nullzinspolitik musste auch deshalb gestoppt werden, weil sich am Aktien- und Immobilienmarkt bereits Spekulationsblasen gebildet hatten.
 Steigende LeitzinsenEntwicklung der Leitzinsen der EZB und der Fed seit 2010, in Prozent

Aber, und jetzt kommt das große Aber: Der Weg zurück zur Normalität ist ein gefährlicher. Es kommt auf Tempo, Schrittmaß und das Rhythmusgefühl der Notenbanken an, damit es unterwegs nicht zum Absturz von Banken oder Staaten kommt. Das sind die sechs wichtigsten Risiken, die auf den Radar von Politikern und Wirtschaftsführern gehören:

1. Das Wirtschaftswachstum wird gedämpft

Höhere Zinsen dämpfen die Nachfrage nach Gütern in der Wirtschaft. Ob sich eine Investition lohnt, hängt von den Erträgen ab, die Unternehmen in der Zukunft erwarten – und vom Zinssatz auf das eingesetzte Fremdkapital. Steigende Zinsen bremsen also die Investitionstätigkeit der Unternehmen – und können, wenn die Notenbank überzieht, auch das Wirtschaftswachstum komplett abwürgen.

Bisher ist die Balance gelungen: Im vergangenen Jahr sind die Bruttoanlageinvestitionen, also Ausgaben für Maschinen, Produktionsgeräte und Forschungsaktivitäten, gegenüber dem Vorjahr 2021 leicht zurückgegangen. Die Unternehmen investieren, aber sie tun es vorsichtiger.

Die Investitionen verlangsamen sich
Veränderung der Bruttoanlageinvestitionen gegenüber dem Vorjahr, in Prozent

2. Der Arbeitsmarkt könnte in Mitleidenschaft gezogen werden

Die Dämpfung der Volkswirtschaft hinterlässt Bremsspuren auch auf dem Arbeitsmarkt. Laut der Fed könnte die Arbeitslosigkeit in den USA im Zuge der Zinserhöhungen um einen Prozentpunkt steigen – rund zwei Millionen Amerikaner würden demnach in Kürze ihren Job verlieren.

ergangene Woche wurde Fed-Chef Jerome Powell vor dem Senate Banking Committee von Senatorin Elizabeth Warren auf diese Zahl angesprochen. Was der Notenbanker diesen zwei Millionen bald arbeitslosen Menschen sagen würde, wollte die linke Demokratin von ihm wissen. Powell:
 Ich würde den Menschen erklären, dass die Inflation extrem hoch ist und die arbeitenden Menschen in diesem Land sehr darunter leiden – und zwar alle. Nicht nur zwei Millionen. Wir ergreifen die einzigen Maßnahmen, die wir haben, um die Inflation zu senken. “
In Deutschland ist der Arbeitsmarkt – da hier Fachkräftemangel herrscht – von derartigen Entwicklungen bisher verschont geblieben.3. Gestiegene Finanzierungskosten treffen vor allem die Immobilienwirtschaft
Für Hausbauer, Grundstückskäufer und Projektentwickler sind die Finanzierungskosten von zentraler Bedeutung. Prof. Lars Feld sagt:
 Vor allem die zinsreagible Immobilienbranche hat Schwierigkeiten. Das trifft auch die Bautätigkeit. “
Die Zeiten von günstigen Krediten von unter einem Prozent sind jedenfalls vorbei – inzwischen liegen die Bauzinsen bei 3,97 Prozent. Das führt dazu, dass für viele Menschen der Traum vom Eigenheim ein Traum bleibt. Deutschlands größte Wohnungsbaugesellschaft, die Vonovia mit Sitz in Bochum, hat für 2023 alle Neubauprojekte storniert.
 Hypothekenzins folgt Leitzins
Hypothekenzinsen mit effektiver Zinsbindung von 10 Jahren und EZB-Leitzins seit März 2018, in Prozent
Dazu passt: Die Kurve der neu vergebenen Hypothekarkredite in Deutschland zeigt seit der Zinswende nach unten (siehe Grafik).
 Interesse vorhanden, Finanzierung fehlt
Veränderungsrate von Bonitätsanfragen und neu ausgenommenen Hypotheken, in Prozent
4. Banken können in eine bilanzielle Schieflage geratenEinerseits sind steigende Zinsen gut für die Banken, da ihre Zinsmarge wieder steigt. Das Geschäft mit dem Kredit ist wieder ein Geschäft, wie die Bilanz der Deutschen Bank zeigt.Andererseits aber werden die Vermögenswerte vieler Banken, so auch der Silicon Valley Bank, durch die Zinserhöhungen abgewertet. Da die Vermögenswerte zum jeweiligen Stichtag bewertet werden, kommt es jetzt in nahezu allen Banken zu Wertberichtigungen. Am Dienstag mussten die 359 Sparkassen in Deutschland insgesamt 7,9 Milliarden Euro auf Anleihen, Aktien und andere Wertpapiere abschreiben.Im Falle der Silicon Valley Bank reichte diese bilanzielle Korrektur nicht aus, denn die Kunden verlangten massenhaft ihre Einlagen zurück. Dadurch zwangen sie die Bank, ihre Anleihen mit Verlust zu verkaufen, um die Kunden bedienen zu können.
 SVB: Das Liquiditätsproblem
Bilanz der Silicon Valley Bank im 4. Quartal 2022, in Milliarden Dollar
5. Der Aktienmarkt leidetDurch die Verteuerung des Geldes, insbesondere des Leihgeldes, wird dem internationalen Kapitalmarkt das Spielgeld entzogen. Das Spekulieren auf Kredit, das in der Nullzinsphase eine lukrative Angelegenheit war, hat seinen Reiz verloren.
 Zinserhöhung belastet S&P 500Kursverlauf des S&P 500 seit dem Beginn der US-amerikanischen Leitzinserhöhungen am 17. März 2022, in Prozent
6. Eine Staatsschuldenkrise wird wahrscheinlicherMit der Rückkehr des Zinses steigen für alle Schuldenstaaten die Refinanzierungskosten. Sie müssen die Anleger mit hochprozentigen Versprechen ködern, damit sie ihnen weiter Geld zur Verfügung stellen. So bietet Mexiko mittlerweile einen Zins von 9,16 Prozent auf eine Staatsanleihe mit zehnjähriger Laufzeit.Selbst ein solider Staat wie die Bundesrepublik muss deutlich mehr zahlen, weshalb die Zinsbelastung im Bundeshaushalt von knapp vier Milliarden Euro 2021, auf 16 Milliarden 2022 und auf voraussichtlich knapp 30 Milliarden Euro 2023 gestiegen ist.
 Bundesanleihen: Die TrendwendeRendite von Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit seit März 2019, in Prozent
Vor allem die zehn höchst verschuldeten Staaten der Welt – darunter Japan, Venezuela und Griechenland – sind in eine gefährliche Zangenbewegung geraten. Sie brauchen mehr Geld, um die sozialen Folgen von Krieg, Inflation und Energiepreisexplosion mildern zu können. Zum anderen aber müssen sie deutlich mehr Geld bezahlen, um vom Kapitalmarkt weiter beliefert zu werden. Der IMF warnt bereits:
 Die gefährliche globale Schuldenlast erfordert eine entschlossene Zusammenarbeit. “
Fazit: Das billige Geld zirkulierte wie ein süßes Gift in den Blutbahnen der Weltwirtschaft. Mit der Politik der Zinserhöhungen, die ihren Scheitelpunkt noch nicht erreicht hat, werden die bisher stimulierenden Substanzen entzogen. Der Patient Weltwirtschaft zeigt alle Merkmale des kalten Entzugs.
Wenige Tage vor der Pleite der Silicon Valley Bank hatte Notenbankchef Jerome Powell noch versichert, der Zustand der US-Banken sei solide. Und dann verpuffte ein Institut, das mit über 200 Milliarden Euro kein kleines war.Unser heutiger Gastkommentator, Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitzsieht in diesem Bankencrash einen Systemfehler:
 ​​Der Fall SVB repräsentiert mehr als das Scheitern einer einzelnen Bank. Er steht für tiefgreifende Versäumnisse der Regulierungs- und Geldpolitik. “
 Das Bankversagen
Ausgewählte US-Bankzusammenbrüche seit 2000 nach Wert der Aktiva, in Milliarden Dollar

Wichtig sei nun für alle – Banker, Anleger, Politiker und Bevölkerung –, aus diesem „Schlamassel“ endgültig die richtigen Lehren zu ziehen: So brauche es neben einer strengeren Regulierung auch die Versicherung der Bankeinlagen. Alle Details des Nobelpreisträgers lesen Sie hier.

Redaktion14. März 2023 05:46

Russen spotten über Banken-Kollaps in den USA: „Sollte das nicht bei uns passieren?“

Auf den russischen Telegram-Kanälen überschlagen sich die Meldungen mit viel Spott über die aktuelle Finanzsituation in den USA. So wird der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank etwa so kommentiert: “Wurde das nicht uns in Russland prophezeit?”

Gemeinsam mit der EU-Spitze gilt Washington als wichtigster Betreiber der Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation: Mehrere Wellen von Embargo-Vorschriften wurden seit Beginn der russischen Invasion gegen Moskau erlassen, der wirtschaftliche Untergang samt Kollaps des russischen Finanzsystems sollte damit erreicht werden.

“In den USA stehen die Menschen in langen Reihen vor den Banken an und wollen ihr Geld retten – sollte das nicht bei uns in Russland passieren?”, spotten jetzt Kommentatoren auf bekannten russischen Telegram-Kanälen über die aktuelle Bankenkrise in den Vereinigten Staaten. Tatsächlich mehren sich im Web die Bilder vom derzeitigen Bank-Run – und die Nervosität bei den US-Bürgern über den Totalverlust ihrer Bankeinlagen steigt.

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank in den USA sorgt aber auch weltweit für Unruhe. Schließlich handelt es sich dabei um den größten Bankenkollaps seit der Finanzkrise von 2008. Das ruft böse Erinnerungen wach, berichtet dazu n-tv.

Moskau bejubelt Handelsüberschuss von 311 Milliarden Euro

In Russland wurden hingegen ausgerechnet jetzt die aktuellen Handelszahlen veröffentlicht: Dort kam im Jahr 2022 das  Exportvolumen auf 555 Milliarden Dollar, um 19,9 Prozent mehr als noch 2021. Der Import ist jedoch im gleichen Zeitraum aufgrund der Sanktionen um 11,7 Prozent auf 243 Milliarden Dollar geschrumpft. Das ergibt einen Handelsüberschuss von über 311 Milliarden Euro, das sind um 68 Prozent mehr als noch im Jahr davor. Geschuldet ist der Anstieg in erster Linie dem Verkauf von Rohöl und der Ölproduktion.

Wachstum der Technologiegiganten

Doch in der wahren Wirklichkeit entwickeln sich – jenseits von Inflation, Ukraine-Krieg und Bankenpleite – die Unternehmen des Technologiesektors auf das Prächtigste. Die Investoren sind unerschrocken, die Kunden weiter kaufwillig und an den Börsen feiern sie ein Festival der guten Laune. Hier jene fünf Technologiegiganten, die deshalb gute Nachrichten produzieren, weil sie an der Zukunft bauen.

Doch in der wahren Wirklichkeit entwickeln sich – jenseits von Inflation, Ukraine-Krieg und Bankenpleite – die Unternehmen des Technologiesektors auf das Prächtigste. Die Investoren sind unerschrocken, die Kunden weiter kaufwillig und an den Börsen feiern sie ein Festival der guten Laune. Hier jene fünf Technologiegiganten, die deshalb gute Nachrichten produzieren, weil sie an der Zukunft bauen.

Bei dem iPhone-Konzern – der gut durch die Corona-Zeit gekommen ist – soll kein Mitarbeiter seinen Job verlieren, auch wenn derzeit gespart werden muss. Der Rotstift wird unter anderem bei den Reisekosten angesetzt.
Apple ist deutlich profitabler als die anderen Tech-Konzerne, der Nettogewinn betrug im vergangenen Quartal 30 Milliarden Dollar – das ist mehr als Europas größter Autokonzern, die Volkswagen AG, im Jahr verdient. Darüber hinaus sitzt Apple auf einem Cashbestand von 165 Milliarden Dollar. In den vergangenen zehn Jahren stieg die Apple-Aktie um das Zehnfache, seit Jahresbeginn 2023 legte sie noch mal um 26 Prozent zu.
 Apple im AufwindAktienkurs von Apple seit Anfang des Jahres, indexiert in Prozent

Auswirkungen der Weltfinanzkrise

17.03.2023

Die Bankenpleite

14.03.2023

Es ist wieder passiert. Und es wird – wenn niemand die Spielregeln ändert – immer wieder passieren. Eine der Weltöffentlichkeit unbekannte Bank mit einer verhältnismäßig kleinen Bilanzsumme von rund 209 Milliarden Dollar (knapp 16 Prozent dessen, was die Deutsche Bank in den Büchern hat) kippt um – und versetzt die globalen Kapitalmärkte in Angst und Schrecken.
 SVB: Der BilanzvergleichBilanzsummen ausgewählter Banken im Jahr 2022, in Milliarden Dollar
Wieder telefonieren aufgescheuchte Präsidenten mit ihren Finanzministern, die wiederum bei den Notenbankgouverneuren nach fachlichem Halt suchen. Und wieder verlieren Menschen, die von dieser Bank und ihrer Existenz nie gehört haben, eine Menge Geld:Allein die Aktionäre der Deutschen Bank büßen an zwei Handelstagen gut neun Prozent ein, also rund zwei Milliarden Euro.
 Kursrutsch 1: Deutsche BankAktienkurs der Deutschen Bank in den vergangenen fünf Tagen, in Euro
Auch die Anteilseigner der Commerzbank wurden in Mitleidenschaft gezogen, 1,5 Milliarden Börsenwert lösten sich auf.
 Kursrutsch 2: CommerzbankAktienkurs der Commerzbank in den vergangenen fünf Tagen, in Euro
Nun halten die Investoren Ausschau nach weiteren Banken, die innerlich zu schwach sind, um diesen Realitätsschock überleben zu können. Also wird abgewertet, was das Zeug hält.Der Kurs der First Republic Bank fiel im frühen Handel um 75,5 Prozent ab, obwohl das Institut aus San Francisco seine Liquiditätsposition mit 70 Milliarden Dollar an ungenutzten Mitteln angab und sich selbst als stabil bezeichnete.
 Einsturz 1: First Republic Bank
Aktienkurs der First Republic Bank in den vergangenen fünf Tagen, in Dollar
Die Western Alliance Bancorporation verlor 74,4 Prozent und PacWest 42,4 Prozent. Beide sind kleine Banken, die nur mit geringen eigenen Mitteln ausgestattet sind.
 Einsturz 2: Western Alliance BankcorporationAktienkurs der Western Alliance Bankcorporation in den vergangenen fünf Tagen, in Dollar
Und die gutgläubigen Kunden der Silicon Valley Bank kommen nur deshalb ungeschoren davon, weil Biden kurzerhand die US-Einlagensicherung und die Fed anwies, im Fall der Fälle für alle Einlagen aufzukommen und damit die Situation entschärfte. Er versprach:
 Ihre Anlagen sind sicher. “
Und dann konkretisierte er:
 Die amerikanische Bevölkerung und die amerikanischen Unternehmen können darauf vertrauen, dass ihre Bankeinlagen vorhanden sind, wenn sie sie brauchen. “
Warum das wichtig ist? Weil die Unsicherheit jederzeit den Finanzsektor verlassen und die Realwirtschaft infizieren könnte. Weil es dann nicht mehr um Kursverluste, sondern um Jobverluste geht. Dann werden nicht mehr nur bilanzielle Abschreibungen in die Bücher genommen, sondern echte Wohlstandsverluste für echte Menschen realisiert.
 Silicon Valley Bank: Der Absturz und das EndeAktienkurs der Silicon Valley Bank seit dem 7. März, in Dollar

Das grundsätzliche Problem: Die internationalen Banken haben sich angewöhnt, letztlich auf Staatskosten zu spekulieren. Risiko und Verantwortlichkeit wurden entkoppelt.

Wenn alles gut läuft, sind die Bücher der Banken prall gefüllt und die Boni der Topleute fallen saftig aus. Der Vorstandschef der Silicon Valley Bank, Greg Becker, erhielt im Jahr 2022 rund zehn Millionen US-Dollar an Gehalt, Aktienoptionen und Boni überwiesen. Ihren Mitarbeitern hat die Bank Medienberichten zufolge wenige Stunden vor ihrem Kollaps noch den Jahresbonus ausgezahlt.

Das große Problem: Alle Banken – auch die Silicon Valley Bank – besitzen eine nur geringe Eigenkapitalausstattung. Wenn zu viele Kunden gleichzeitig nach einer Auszahlung ihrer Einlagen verlangen, gerät alles ins Rutschen.

Was wir derzeit erleben, ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel.

Die eigenen Vermögenswerte der Finanzinstitute werden nicht mehr zum Niederstwertprinzip, also dem Einstandskurs, in der Bilanz geführt, sondern mit den oft inflationären Höchstkursen der Börse. Stille Reserven besitzt man so gut wie keine. Die Eigenkapitalquoten des Gesetzgebers sind zu niedrig, um einen wirklichen Stress-Test bestehen zu können.

Und dann tritt der Notfallplan aller Geldinstitute in Kraft, der immer nach demselben Schema funktioniert: Bei Herzflimmern greift man zum Roten Telefon, das alle relevanten Banken mit der Notenbank und dem Finanzminister verbindet und ruft den Notarztwagen, der mit Tonnen voller Geld angebraust kommt.

Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Banken retten Staaten und Staaten retten Banken. Und wenn beide nicht mehr weiter wissen, geht man gemeinsam zur Notenbank, um sich mit der Notenpresse Nachschub zu besorgen.

„Kapitalismus ist das, was Menschen tun, wenn man sie in Ruhe lässt“, sagte einst der Philosoph Kenneth Minogue. Doch genau nach dieser Definition lebt der Finanzsektor nicht mehr im Kapitalismus. Die unsichtbare Hand des Marktes, von der Adam Smith sprach, und die eiserne Faust des Staates, die jetzt wieder zuschlägt, gehören zum selben Körper. Die Banken haben für sich die beste aller Welten geschaffen.

Nur die werte Kundschaft ist noch in der alten Welt zu Hause. Die geringe Eigenkapitalquote gilt exklusiv für die Geldhäuser, nicht aber für den Bürger, der Grundstück oder Eigenheim erwerben möchte. Seine Vermögensverhältnisse werden nach allen Regeln der Kunst durchleuchtet und ohne eine Selbstbeteiligung von 30 Prozent gibt es keinen Kredit.

Prof. Hans-Werner Sinn ist der deutsche Ausnahme-Ökonom, der die bestehenden Verhältnisse nicht nur erklärt, sondern auch kritisiert.Der ehemalige Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung nennt die globalen Finanzmärkte „immer noch ein Kasino“ und entlarvt die Aussagen der Regierungen nach der Lehman-Pleite, als man für mehr Stabilität sorgen wollte, als leere VersprechungenZur Pleite der Silicon Valley Bank sagt er:
 Es ist so, wie es immer war: Die Banken arbeiten mit ganz wenig Eigenkapital und gehen bei ihren Ausleihungen ins Risiko. Wenn es gut geht, dann haben sie schöne Erträge, die sie als Dividenden an ihre Eigentümer ausschütten. Wenn es schlecht geht, dann hofft man immer, dass der Staat mit einspringt. “
Von dem Versprechen nach der Lehman-Pleite, dass Banken ihre Eigenkapitalquote, insbesondere die Kernkapitalquote, erhöhen, um einen Risikopuffer zu bilden, hält Sinn wenig:
 Die Kernkapitalquote ist ja selbst eine Mogelpackung. Da wird das Eigenkapital nicht durch die Bilanzsumme geteilt, sondern durch die Summe der risikogewichteten Aktiva. Das ist nicht ganz koscher. Das sind alles komische Berechnungsmethoden, die dringend auf den Prüfstand gehören. “
Auch Investitionen in Staatsanleihen – wie bei der Silicon Valley Bank im großen Stil geschehen – zählen zum Eigenkapital, wobei dieser Wert in gefluteten Geldmärkten stetig stieg. In der Phase niedriger Zinsen der vergangenen Jahre sind große Posten dieser festverzinslichen Papiere aufgebaut worden. Die Folge:
 Es entstehen scheinbar große Werte, die als Eigenkapital bei den Banken aufgeführt werden. Aber es sind Luftnummern, die platzen, wenn die Zinsen sich wieder normalisieren. In einer solchen Phase sind wir jetzt. “
Prof. Sinn beschreibt die Dynamik, die hier in Gang gekommen ist:
 Als Folge des Zinsanstiegs gehen die Marktwerte wieder runter und das führt dann zu einer Gefährdung der Banken bis hin zu Pleiten: Hier sehen wir mal eine. Das wird nicht die Einzige sein, die hier passiert. “
Er glaubt, dass die Amerikaner die Krise beherrschen können und es nicht zum globalen Flächenbrand kommt, aber:
 Es ist halt wie immer: Wenn es dann wirklich brenzlig wird, dann übernimmt am Schluss der Steuerzahler die Rechnung. “
Oder anders formuliert: Im Westen nichts Neues.

Warnung! Zusammenbruch der Silicon Valley Bank – ein Vorbote für viel Schlimmeres? Derivate: „Finanzielle Massenvernichtungswaffen“.

Peter KönigGlobal Research, 16. März 2023

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