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0.10 Deutschland

Gabor Steingard

Faule Deutsche

Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten. Mit Viertagewoche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können. “
Hätte er seine Anmerkungen auf die Reformmüdigkeit der CDU und die Home-Office-Kultur im Staatsdienst bezogen, könnte niemand widersprechen. In der Privatwirtschaft aber ist die Behauptung des neuen Kanzlers nicht haltbar. Merz hat die richtigen Statistiken gelesen, aber er hat sie falsch interpretiert:
Arbeitsvolumen in Deutschland: All time high
Jährliches Gesamtarbeitsvolumen von allen abhängig Beschäftigten
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Trumps unfreiwilliges Geschenk an Deutschland

Was war passiert? Der Dollar hat an Kraft eingebüßt, Aktienanleger und Investoren haben eine wochenlange Flucht aus US-Aktien betrieben und haben einen alten Kontinent neu entdeckt: Unseren europäischen Kapitalmarkt. Der Dax performt seit Jahresbeginn herausragend.
Aber es kommt noch etwas dazu. Anleger kehrten auch den US-Staatsanleihen den Rücken, was diese immer weiter verteuert. Am Freitagabend stufte die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit der USA herunter – es war das letzte Top-Ranking, das die USA nun verloren haben.
In der Folge wird dies für die USA ein ernstes Problem. Die Staatsverschuldung und der US-Schuldendienst werden dadurch immer teurer. Auch die Hypothekenzinsen steigen. Mit einer steigenden Inflation ist das ein Horror-Mix für US-Präsident Trump.
Des einen Leid, des anderen Freud. Der neue Safe Haven der Staatsanleihen könnte nun deutsche Staatsanleihen werden. Ein Trend zeichnet sich bereits ab.
Und nun kommt das Sondervermögen Infrastruktur und die Verschuldung für Verteidigungsausgaben. Damit dies finanziert werden kann, muss der Bund Staatsanleihen – sogenannte Bundesanleihen – neu ausgeben.
Mehr Anleihen auszugebenbedeutet mehr Schulden aufzunehmen. Das Angebot erhöht sich. Damit die neuen Anleihen dann aber jemand kauft, müsste es Risikoprämien geben. Die zukünftigen Anleihen müssten also höher verzinst werden, damit sie Käufer finden.
Aber das ist alles andere als sicher. Gerade die Verlässlichkeit des deutschen Staates könnte aufgrund der erratischen Trump-Politik das Spiel von Angebot und Nachfrage außer Kraft setzen. Internationale Investoren könnten kaufen und kaufen.
Die hohe Nachfrage und ein hohes Angebot könnten dazu führen, dass der deutsche Staat sich zu sehr günstigen Konditionen Kredite verschaffen kann. Heißt: Die Staatsverschuldung und der Zinsdienst werden kostengünstiger.
Es seien „keine binären Null- oder Eins-Entscheidungen, wie globale Investoren ihre Allokation von Staatsanleihen gestalten“, so Johannes Müller, Chefvolkswirt des Vermögensverwalters DWS, gegenüber The Pioneer. „Insofern wird es auch zu keinem kompletten Verkauf von US-Staatsanleihen, verbunden mit einer Umschichtung komplett in Bundesanleihen, kommen.“
Doch:
Wir können klar beobachten, dass das Interesse an möglichen Alternativen zu US-Staatsanleihen und zum US-Dollar steigt.
Wir können klar beobachten, dass das Interesse an möglichen Alternativen zu US-Staatsanleihen und zum US-Dollar steigt.Davon dürften auch Bundesanleihen profitieren sowie der Bund als Emittent, so Müller, da zusätzliche Nachfrage die Renditen drückt, was wiederum die Finanzierungskosten sinken lässt.
Konkret ablesen ließe sich die Verschiebung im Gefüge der als sicher geltenden globalen Staatsanleihen an den Preisen für Kreditausfallversicherungen, den CDS Quotes, so Müller weiter.
Die Kosten, um sich über fünf Jahre gegen einen Ausfall der USA abzusichern, seien seit Donald Trumps Amtsantritt von 34 Basispunkten pro Jahr auf aktuell 56 Basispunkte gestiegen. Eine Versicherung von Bundesanleihen koste hingegen weniger als ein Viertel davon, nämlich 13 Basispunkte, und das auch sehr stabil.
Sander Tordoir, Chefökonom des Think Tanks Centre for European Reform, sagt zu The Pioneer:
Trumps chaotische Wirtschaftspolitik und internationale Politik ist ein Geschenk für die neue deutsche Bundesregierung.
Er glaube nicht, dass der US-Dollar seine Rolle als wichtigste Reservewährung von heute auf morgen verliere, so Tordoir. „Aber Deutschland bietet nun eine wesentliche Alternative.“
Hinzu käme das steigende Angebot an deutschen Staatsanleihen, das auch die Liquidität am Markt erhöhe. Das heißt: Es wird für Investoren einfacher, diese schnell zu kaufen oder verkaufen. Er sagt:
Das Problem bei Bundesanleihen war eigentlich immer, dass es zu wenig Angebot gab. Deswegen war die Aktivität immer etwas eingeschränkt. Die Erwartung eines höheren Angebots macht sie nun attraktiver.
Das Problem bei Bundesanleihen war eigentlich immer, dass es zu wenig Angebot gab. Deswegen war die Aktivität immer etwas eingeschränkt. Die Erwartung eines höheren Angebots macht sie nun attraktiver.Der Think Tank Dezernat Zukunft hat exklusiv für The Pioneer Zinsszenarien berechnet. Je nach Zinsniveau spart der deutsche Staat richtig Geld – die Zinsausgaben könnten um mehr als die Hälfte niedriger ausfallen.
Anders gesagt: Wenn das Zinsniveau gering bleibt, werden Milliarden-Beträge frei, die sonst in die Tilgung von Zinskosten gesteckt werden müssten. Noch mehr Geld für Investitionen wäre vorhanden.

Trump macht die deutsche Verschuldung billiger

Szenarien der Zins-Kostenlast der Verschuldung

Deutschland verteidigen? Ohne mich!

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Die deutsche Vertrauenskrise

Der größte Inkompetenzausweis des politischen Personals war die versemmelte Kanzlerwahl. Doch sie ist nur Symptom einer tiefgreifenden Vertrauenskrise. Nun muss Problemlösungskompetenz demonstriert werden. Denn Kulturkampf wird auf Dauer nicht gutgehen. Ein Gastbeitrag von Prof. Armin Nassehi.
Von einer Krise der Demokratie zu sprechen, scheint eine ausgemachte Sache zu sein. Sieht man aber auf den Regierungswechsel und die Implementation der schwarz-roten Koalition, muss man den Eindruck bekommen, dass sowohl die politischen Institutionen und Verfahren hervorragend funktionieren als auch die beteiligten Akteure sich zivilisiert und mit einer angenehmen Orientierung am comment verhalten haben.

Merz Eine fragile Kanzlerschaft

Der Verfassungsrechtler Carlo Schmid, Mitarchitekt des Grundgesetzes, hat nach dessen Verabschiedung gesagt:
Der Parlamentarismus ist nicht bequem – aber ehrlich. “
Friedrich Merz – der gestern um 16:15 Uhr erst im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt wurde – weiß spätestens jetzt, was damit gemeint ist. Es war die parlamentarische Ehrlichkeit, die ihm den Schmerz der Niederlage zufügte. Er ist, diese Botschaft der Abweichler ließ sich leicht dechiffrieren, ein Kanzler fragiler Verhältnisse. Wobei diese Fragilität über die Person von Friedrich Merz hinaus weist.
#1 Der deutsche Wohlstand erodiert
Die verfestigte Stagnation der Volkswirtschaft erzeugt seit drei Jahren nicht mehr jene Zuwächse, die der Sozialstaat zur Einhaltung seiner Versprechen braucht. Da die neue Koalition sich nicht auf eine schmerzlindernde Angebotspolitik für die Firmen einigen konnte – kein Bürokratieabbau, keine Steuersenkung –, kämpft die Wirtschaft einen einsamen Kampf. Umsatz- und Gewinnsteigerungen werden im Ausland erzielt oder gar nicht. Ein deutscher Spitzenmanager:
„Deutschland schmiert ab. “
#2 Das gebrochene Stabilitätsversprechen
Die Union war traditionell die Partei, die sich nicht der Umverteilung, sondern der Wertsteigerung im produktiven Kern der Volkswirtschaft verpflichtet fühlte. Merz aber wurde nur deshalb Kanzler, weil er sich selbst verraten hat und der SPD für eine Staatsverschuldung der Extraklasse die Hand reichte.
Ohne Deutsche Einheit und ohne Pandemie soll der Schuldenstand nun schätzungsweise auf das Rekordniveau von 90 Prozent gegenüber dem Inlandsprodukt hochgetrieben werden. AfD-Chefin Weidel kann ihr Glück kaum fassen: „Lügen haben kurze Beine. Der Wahlbetrüger Friedrich Merz wurde klar abgestraft“, sagte sie gestern nach dem gescheiterten ersten Wahlgang.
Es geht aufwärts
Staatsverschuldung in Prozent des Bruttoinlandsprodukts
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Schutzmacht Staat Wie dei Marktwirtschaft ins Hintertreffen geriet

Wir haben das Jahrhundert einer dominanten Staatlichkeit betreten. Im ewigen Ringen zwischen Staat und Markt – Wer führt? Wer folgt? – ist nicht erst seit der Bundestagswahl ein neuer Spielstand zu vermelden:
Der ökonomische Liberalismus – die dominante politisch-kulturelle Strömung der 80er- und 90er-Jahre – wandert nach dem Doppelschlag von Weltfinanzkrise und Pandemie ins Abklingbecken der Geschichte. Der Verlierer des noch jungen 21. Jahrhunderts ist die Marktwirtschaft.
And the winner is: Der Staat. In alter Pracht und neuer Herrlichkeit feiert er seine Auferstehung. Er will uns sozial beschützen, ökologisch eng führen, militärisch verteidigen und bürokratisch bevormunden.
Seine Hyperaktivität, darin besteht die Ironie der Geschichte, lässt er sich von den globalen Finanzmärkten finanzieren. So gesehen ist der Neoliberalismus nicht verschwunden. Er hat nur die Position gewechselt: von der politischen Kommandohöhe in den Tresorraum.
Der dirigistische Zeitgeist ist so mächtig, dass er auf die politische Herkunft der Spitzenpolitiker keine Rücksicht mehr nimmt. Die Rückkehr der Staatlichkeit geht diesmal nicht einher mit einem Siegeszug von Sozialisten und Sozialdemokraten, sondern passiert unter der Führung konservativer Politiker in Washington, Brüssel und Berlin. Sie sind nicht die Treiber, nur die Notare ihrer Zeit.
#1 Spielführer Staat
Was mit den staatlichen Ansiedlungsprogrammen (Inflation Reduction Act) in den USA begann, setzt sich mit den Infrastrukturprojekten in Europa fort. Früher hieß das Industriepolitik, heute wird es als nationale Daseinsvorsorge verkauft.
Eben erst hat sich die Große (Schulden-)Koalition in Berlin auf ein 500 Milliarden Kreditprogramm zum Bau von Straßen, Brücken und Schienen verständigt. Selbst die Leiter der ehedem eigentlich marktwirtschaftlich gesinnten Einrichtungen wie das Ifo-Institut in München und das Kiel Institut für Weltwirtschaft heulen mit den Wölfen. Einzig die Wirtschaftsweise Prof. Veronika Grimm findet den starken Staat nicht klug, sondern gierig:
Ich habe das Gefühl, da will nochmal jemand einen Schluck aus der Pulle nehmen, um keine Anpassungen vornehmen zu müssen.
#2 Der Staat als Zollkrieger
Der Glaube an den Freihandel, also den möglichst unbürokratischen Austausch von Waren und Dienstleistungen, ist den meisten Akteuren der Politik abhandengekommen. Der moderne Politiker ist Protektionist. Das vorläufig letzte Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) wurde über zehn Jahre verhandelt und ist noch immer nicht vollumfänglich in Kraft.
Früher hoffte man, durch den Abbau von Zollschrankenden Wohlstand der Nationen zu erhöhen. Heute glaubt man, die gleiche Wirkung durch die Erhöhung von Zöllen zu erreichen.
#3 Die Bastardökonomie
Wenn der Staat nicht mehr weiter weiß, geht er zu den Banken, um sich neues Leihgeld zu besorgen. Kapitalismus und Staat begegnen sich in den Darkrooms der Wall Street, um sich gegenseitig zu befruchten. So kommt es zur Bastardisierung der Verhältnisse.
Die Staatsverschuldung hat sich durch die Vielzahl der Ausgabenprogrammeseit 2000 im Euroraum um knapp 30 Prozent auf eine durchschnittliche Verschuldungsquote von 88 Prozent erhöht. In den USA hat sie sich im selben Zeitraum mehr als verdoppelt. Insgesamt steigen dadurch auch die Staatsquoten, die das Verhältnis zwischen Privatwirtschaft und staatlicher Aktivität ausdrücken. In Deutschland wird mittlerweile fast jeder zweite Euro von einem staatlichen Bürokraten beauftragt, ausgegeben und überwacht.
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